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Berechnung: Wer Hartz-IV bekommt, rutscht noch tiefer in die Armut

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Von: Katja Thorwarth

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Kinder-Armut in Deutschland: Die Kaufkraft von Hartz-IV-Bezieher:innen fällt stetig.
Kinder-Armut in Deutschland: Die Kaufkraft von Hartz-IV-Bezieher:innen fällt stetig. © Jörg Carstensen/dpa

Um lediglich 3 Euro will die Bundesregierung den Hartz-IV-Satz erhöhen. Viel zu wenig, sagen Sozialverbände und rechnen die Not der Betroffenen vor.

Wuppertal / Frankfurt - Ab 2022 werden die Hartz-IV-Bezüge um 3 Euro erhöht; Bezieher:innen erhalten also statt 446 zukünftig 449 Euro im Monat. Doch als das Kabinett die Verordnung des Bundessozialministeriums im September auf den Weg brachte, wurde mit Kritik nicht gespart. Nicht eingepreist in die Erhöhung seien nämlich die deutlich steigenden Verbraucherpreise mit einer damit einhergehenden Inflationsrate von um die 4 Prozent. Darauf würde man 2023 Rücksicht nehmen, hieß es diesbezüglich vonseiten des Ministeriums.

Und bis dahin? Bereits jetzt warnen Sozialverbände und Arbeitsloseninitiativen vor sich verschlechternden Lebensbedingungen für Betroffene. Hartz-IV-Empfänger:innen und Erwerbsunfähige seien ab 2022 von einem deutlichen Kaufkraftverlusten bedroht, erklärte etwa das Sozialbündnis „aufRecht bestehen“ gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Hartz IV: Kaufkraftverlust wegen zu geringer Anhebung der Regelsätze

Der Grund liegt auf der Hand: die zu geringe Anhebung der Regelsätze zum Jahreswechsel sowie der starke Anstieg bei den Energiepreisen beziehungsweise die Inflation. Auch belasteten der Kauf von Atemschutzmasken und anderen Hygieneartikeln in der Corona-Pandemie den Geldbeutel der Betroffenen zusätzlich.

Die zum 1. Januar geplante 3-Euro-Erhöhung sei „ein Schlag ins Gesicht derjenigen, deren Geld nicht erst seit Beginn der Corona-Krise an allen Ecken und Enden nicht reicht“, kritisierte der Sprecher des Bündnisses, Frank Jäger. Die Menschen am unteren Ende der Einkommensskala spürten die aktuelle Inflationsrate von rund vier Prozent „bei jedem Einkauf im Supermarkt existenziell“.

Monatliche Hartz IV-Sätze ab Januar 2022
Alleinstehende Erwachsene449 Euro (plus drei)
Partnerinnen, Partner und Ehegatten404 Euro (plus drei)
Kinder zwischen 14 und 17 Jahren376 Euro (plus drei)
6- bis 13-Jährige311 Euro (plus zwei)
0- bis 5-Jährige285 Euro (plus zwei)
18- bis 24-Jährige im Elternhaus oder in Einrichtungen360 Euro (plus drei)

Die Situation werde zusätzlich dadurch verschlimmert, dass bei den Strompreisen zum neuen Jahr „vielerorts rasante Preissteigerungen angekündigt“ seien. Absehbar sei außerdem, dass sich die von den Ampelparteien SPD, Grünen und FDP geplante Energiewende vor allem bei Bezieher:innen von Grundsicherungsleistungen auswirken werde, da die Stromkosten in der Regelleistung enthalten sind.

Hartz-IV-Bezieher:innen haben 13 Prozent Heizkostenerhöhung zu verkraften

Bei den Kosten für Heizung und Warmwasser sei eine noch drastischere Preiserhöhung zu verzeichnen. Gemäß dem „Heizspiegel für Deutschland 2021“, den die gemeinnützige Beratungsgesellschaft co2online mit dem Deutschen Mieterbund und dem Verband kommunaler Unternehmen erarbeitet hat, sind für das laufende Jahr bei einer durchschnittlichen Wohnung von 70 Quadratmeter 90 Euro mehr an Gaskosten zu erwarten. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent.

Unter den Grundsicherungsbezieher:innen seien insbesondere diejenigen hart getroffen, deren Miete und Heizkosten nicht voll vom Sozialamt oder Jobcenter übernommen werden und die deshalb noch Geld aus der ohnehin knappen Regelleistung für die Kosten der Unterkunft abzweigen müssten. Nach Angaben des Wuppertaler Sozialexperten Jäger ist das etwa jede fünfte Person im Hartz-IV-Bezug.

Hartz-IV-Bezüge: Sozialbündnis fordert sofortige Anhebung

Die Bundesregierung müsse die Regelsätze sofort und deutlich anheben, fordert daher das Sozialbündnis als Sofortmaßnahme, wobei außerdem Nachzahlungen für Heizkosten unbürokratisch übernommen werden müssten.

Von einer künftigen Ampel-Koalition erwartet das Bündnis eine Anhebung der Regelsätze von derzeit knapp 450 Euro auf mindestens 600 Euro pro Monat plus die volle Erstattung der tatsächlichen Wohnkosten. Es müsse darüber hinaus auch Zuschüsse für die Anschaffung von energiesparenden Haushaltsgeräten geben.

„Bürgergeld“ für Hartz-IV-Bezieher:innen: Sozialbündnis ist skeptisch

Skeptisch sieht das Sozialbündnis das im Sondierungspapier der Ampel angekündigte „Bürgergeld“ für Hartz-IV-Bezieher:innen. Das Bürgergeld soll laut Sondierungspapier „die Würde des und der Einzelnen achten“ und „zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen“. Die Kritik des Bündnisses: „Über konkrete Verbesserungen schweigt sich das Sondierungspapier leider weitgehend aus. Die menschenverachtenden und existenzbedrohenden Sanktionen für Langzeitarbeitslose will man offenbar nicht abschaffen, sondern beibehalten.“ Mit Sanktionen müsse jedoch Schluss gemacht werden, sonst könne es keinen Bruch mit Hartz IV geben. (ktho/epd)

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