Hartz IV: Kosten für Stromtarife explodieren – Was Betroffene tun können
Das Leben in Deutschland wird dramatisch teurer. Das trifft vor allem die Menschen hart, die aktuell von Hartz 4 leben. Was Sie jetzt tun können.
Frankfurt – Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sind auch in Deutschland immer deutlicher zu spüren. Viele Menschen leiden bereits stark unter den extrem gestiegenen Verbraucherpreisen für Sprit, Energie oder auch Lebensmittel. Seit Monaten treiben die Energiepreise die Inflation sowohl in Deutschland als auch im gesamten Euroraum nach oben, der Ukraine-Konflikt hat den Trend noch verschärft. Im März lagen die Lebenshaltungskosten in der Eurozone 7,5 Prozent höher als vor einem Jahr. Weder die Löhne, geschweige denn die Sozialleistungen in Deutschland sind in diesem kurzen Zeitraum in gleichem Maße angestiegen.
Etwa jeder siebte Erwachsene in Deutschland kann nach eigenen Angaben kaum noch seine Lebenshaltungskosten bestreiten, wie eine aktuelle YouGov-Umfrage im Auftrag der Postbank ergab. Vor allem Menschen, die in Deutschland Hartz 4 beziehen, werden von der Entwicklung hart getroffen. Denn die staatlichen Hilfen bleiben gleich, obwohl die Kosten für Sprit, Strom und Lebensmittel steigen. Vor allem die steigenden Stromkosten werden hier zum Problem.

Energie-Krise und Inflation: Hartz 4 Regelsätze müssten um 100 Euro erhöht werden
Die Rechnung: Anders als die Kosten für Miete und Heizung übernimmt das Jobcenter für Hartz 4-Empfangende in der Regel nicht die Ausgaben für Strom. Die müssen vom ohnehin schon niedrigen Hartz 4-Regelsatz bezahlt werden. Der liegt für Alleinstehende 2022 bei 449 Euro. 8,48 Prozent davon, also etwas mehr als 38 Euro, sieht der Gesetzgeber für „Energie und Wohninstandhaltung“ vor – im Jahr sind das rund 456 Euro. Die tatsächlichen Kosten für Strom liegen allerdings deutlich darüber. 2022 bereits um fast 25 Prozent, wie das Vergleichsportal Check24 untersucht hat. Denn: Bei einem Jahresverbrauch von 1500 Kilowattstunden Strom ergeben sich in der Grundversorgung Kosten von etwa 599 Euro.
Die Caritas berichtete bereits von alarmierenden Zahlen und einer „Energiearmut“ in Deutschland. Immer mehr Menschen in Hartz 4 melden sich in den Beratungsstellen, weil sie Schulden machen müssen, um laufende Energiekosten zu bezahlen. Die Regelsätze müssten auf einen Schlag um 100 Euro angehoben werden, um die extreme Verteuerung auszugleichen, erklärte der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, bei einem Interview im Deutschlandfunk (Dlf). Tatsächliche Erhöhungen lagen in den vergangenen Jahren allerdings immer nur zwischen 3 und 15 Euro.
Jahr | Hartz 4 Regelsatz |
---|---|
2022 | 449 Euro |
2021 | 446 Euro |
2020 | 432 Euro |
2019 | 424 Euro |
2018 | 416 Euro |
Quelle: Bundesregierung |
Entlastungspaket der Ampel-Regierung: 100 Euro extra für Menschen mit Hartz 4
Die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen hat versucht, den extrem steigenden Energiekosten gegenzusteuern und ein Entlastungspaket für alle Bürgerinnen und Bürger beschlossen. Darin wurden auch die Menschen berücksichtigt, die in Deutschland aktuell auf Hartz 4 angewiesen sind. Sie sollen demnach eine einmalige Bonuszahlung von 100 Euro erhalten. Die Maßnahmen der Bundesregierung sind allerdings auf breite Kritik gestoßen.
Die Sozialverbände, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Tafeln fordern von der Regierung stattdessen einen dauerhaften Kurswechsel bei der Unterstützung von ärmeren Haushalten. „Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, den laufenden Lebensunterhalt für Hartz-IV-Berechtigte und Geringverdienende zu decken“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die staatlichen Pauschalzahlungen an Menschen in der Grundsicherung kritisierte Piel breits in den vergangenen Jahren als zu niedrig. Alle Einmalzahlungen der Corona-Zeit zusammen brächten Hartz-IV-Beziehern nur „mickrige 12,50 Euro monatlich mehr“, sagte die Gewerkschafterin. „Das ist nicht mal annähernd ein Ausgleich für die Mehrbelastungen durch die Pandemie und aktuelle Preissteigerungen.“
Stromkosten: Bei Nachzahlungen bekommen Hartz 4-Beziehende Hilfe vom Jobcenter
Wenn Hartz 4-Empfänger:innen die hohen Stromkosten nicht bezahlen können und daraufhin eine Aufforderung zur Nachzahlung bekommen, bleiben ihnen zwei Möglichkeiten:
- Betroffene können beim Stromanbieter eine Ratenzahlung beantragen
- Lehnt der Anbieter die Ratenzahlung ab, ist es möglich beim Jobcenter ein Darlehen zu beantragen
Nach Paragraf 42 aus dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) darf das Jobcenter dann ein Darlehen erbringen, wenn ein Bedarf weder durch eigenes Vermögen, noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Das Problem: Ab dem darauffolgenden Monat werden dann so lange zehn Prozent des Regelsatzes einbehalten, bis das Darlehen getilgt wurde. Damit steht den Betroffenen anschließend noch weniger Geld zur Verfügung. Und eine Entspannung der Energiekrise und Inflation sehen Expert:innen zunächst nicht.
Gestiegene Stromkosten: Auch ein Anbieterwechsel ist eine Option
Verbraucherinnen und Verbraucher, deren Stromverträge von einem massiven Preisanstieg betroffen sind, haben in Deutschland außerdem ein Sonderkündigungsrecht. Ein Stromanbieterwechsel könnte also durchaus eine Option sein. Dabei sollten Kund:innen allerdings nicht vorschnell handeln, denn Neukundenverträge sind auch deutlich teurer geworden. Ein Tipp der Verbraucherzentralen: Die Tarife lokaler Versorger anschauen, denn die sind meist vergleichsweise günstig, tauchen in den Online-Vergleichsportalen allerdings nicht auf.
Grundsätzlich gilt:
- Nicht überstürzt handeln: Prüfen Sie sorgfältig, ob es aktuell einen günstigeren Stromtarif für Sie gibt.
- Regional suchen: Beziehen Sie ihren lokalen Grundversorger und andere Energieversorger aus der Region in ihre Suche mit ein.
- Vergleichen: Nutzen Sie auch (aber nicht nur) Online-Vergleichsportale (Achtung: Teilweise sind die Preise nicht aktuell).
- Beim Wechsel: Achten Sie auf eine kurze Vertragslaufzeit und eine Kündigungsfrist von maximal einem Monat.
- Quelle: Verbraucherzentrale
Hartz 4: Der Stromspar-Check der Caritas hilft beim Energiesparen
Eine dritte, wichtige Option, die Energiekosten zu senken, ist, den eigenen Stromverbrauch zu reduzieren. Menschen mit niedrigem Einkommen oder diejenigen, die Sozialleistungen wie Hartz 4, Wohngeld oder Kinderzuschuss beziehen, können dabei auf die Hilfe der Caritas zurückgreifen. Der sogenannte Stromspar-Check ist ein kostenfreies Angebot der Caritas und des Verbands der Energie- und Klimaschutzagenturen, das Verbraucherinnen und Verbraucher dabei unterstützen soll, Stromfresser im eigenen Haushalt zu identifizieren und den Energieverbrauch so deutlich zu senken.
150 Standorte gibt es mittlerweile, von denen aus die Stromsparhelferinnen und -helfer in die Haushalte gehen und Beratungen durchführen. Sie prüfen den Verbrauch einzelner Geräte, geben Tipps, wie sich der Verbrauch senken lässt, bauen kleine, technische Kniffe ein, die beim Sparen helfen und entwerfen einen Stromspar-Fahrplan. Nach Angaben der Caritas können die Energiekosten in den Haushalten so um durchschnittlich 172 Euro gesenkt werden – und das ist schonmal eine Hausnummer. Um die Hilfe in Anspruch zu nehmen, müssen Hartz 4-Empfänger:innen lediglich den Stromspar-Check-Standort in ihrer Nähe kontaktieren und einen Termin vereinbaren. (iwe)
Alle Informationen zum Stromspar-Check, eine Online- sowie Telefonberatung und Anbieter in Ihrer Nähe gibt es auf stromspar-check.de.