Hanno Berger fühlt sich „wie ein Outlaw verfolgt“

Im Cum-Ex-Prozess in Wiesbaden weist Berger der Politik die Schuld zu. Der Beschuldigte tritt mehr als selbstbewusst auf.
Hanno Berger spricht atemlos. Der Steueranwalt, der im Wiesbadener Cum-Ex-Verfahren angeklagt ist, hat so viel zu erklären an diesem Freitag vor dem Landgericht Wiesbaden, Paragrafen hier, Urteile da, Zitate aus Zeitungsbeiträgen, „dazu werde ich nachher noch mehr sagen“. Manchmal wird er laut, manchmal steht er auf, um von einem Tisch hinter ihm weitere Aktenordner zu holen, manchmal wendet er sich ausdrücklich an die Beobachterinnen und Beobachter von der Presse.
Der 72-jährige Frankfurter, ein früherer hessischer Finanzbeamter, wird aus seiner Sicht zu Unrecht verfolgt. Er werde wie ein „Outlaw“ verfolgt, „für mich gilt das Gesetz nicht“, sagt er voller Empörung. Die von ihm vermittelten Aktiengeschäfte von 2006 bis 2008, bei denen Banken und der Investor Rafael Roth sich Steuern erstatten ließen, die nie gezahlt worden waren, seien seinerzeit rechtmäßig gewesen.
Die Staatsanwälte hatten am Vortag eine Haftstrafe von zehneinhalb Jahren wegen Hinterziehung von 113 Millionen Euro Steuern gegen Berger gefordert. Ihnen wirft Berger vor, sie hätten ohne ein „rechtliches Gerüst“ argumentiert, ohne die Paragrafen zu nennen, die anzuwenden seien. Stattdessen hätten sie mit Formulierungen wie „Griff in die Staatskasse“ eine Strafbarkeit suggeriert. Ihnen gehe es nur darum, „einen Outlaw lebenslang in den Knast zu schicken, damit er nicht mehr rauskommt“.
Tatsächlich seien die Cum-Ex-Geschäfte seinerzeit nicht untersagt gewesen. Das gehe aus den damaligen Gesetzen, etwa dem Jahressteuergesetz, ebenso hervor wie aus den Vorgaben des Bundesfinanzministeriums und aus Urteilen, die damals gesprochen worden seien. Auch die Banken mit ihren Rechtsabteilungen hätten diese Auffassung vertreten.
Es habe sich um eine „bewusste Regelungslücke“ gehandelt. Schuld an den Verlusten des Fiskus trage daher die Politik, die die Gesetze abgesegnet habe. Namentlich nannte Berger den früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick, der heute als Vorstand des von ihm gegründeten Vereins Finanzwende energisch zur Verfolgung der Cum-Ex-Geschäfte aufruft. Zum Auftakt des Wiesbadener Prozesses hatte Schick im FR-Interview mit Blick auf Berger gesagt: „Es ist wichtig, dass es gelingt, Verantwortliche für Cum-Ex hinter Gitter zu bekommen.“
Inzwischen wurde der Steueranwalt vom Landgericht Bonn bereits zu acht Jahren Haft verurteilt, ebenfalls wegen seiner Beteiligung an Cum-Ex-Geschäften. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Am Freitag in Wiesbaden zeigte sich Berger empört über Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, er habe seine Taten vertuscht, verschleiert und Professoren zu für ihn günstigen Gutachten gedrängt. „Das ist für mich nur widerlich und ich weise es zurück“, so Berger. Solche Behauptungen dienten „nur dazu, dass man sich inhaltlich nicht auseinandersetzen muss“.
Berger forderte einen Freispruch, ebenso wie es am Vortag sein Verteidiger Sebastian Kaiser getan hatte. Der Steueranwalt beklagte, dass er sich nicht mit den Verteidigern habe abstimmen können. Einer von ihnen habe ihn im Gefängnis in Frankfurt-Preungesheim aufsuchen wollen, aber wegen Personalmangels habe die Justizvollzugsanstalt sich nicht in der Lage gesehen, ein Treffen zu ermöglichen.
Das Gericht hat zwei weitere Termine für Bergers letztes Wort freigehalten. Das Urteil wird für den 30. Mai erwartet.
Az. : 6 KLs – 1111 Js 18753/21