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Der Handelskrieg beginnt

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Von: Frank-Thomas Wenzel

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Ein Mitarbeiter in Schutzkleidung bearbeitet auf dem Gelände der Salzgitter AG eine Stahlpfanne.
Ein Mitarbeiter in Schutzkleidung bearbeitet auf dem Gelände der Salzgitter AG eine Stahlpfanne. © Julian Stratenschulte/dpa

Die US-Regierung leitet ein Verfahren gegen deutsche Stahlkocher ein. Berlin reagiert empört auf das Vorgehen.

Die Tonlage erinnert an den US-Wahlkampf. „Wir werden sicherstellen, dass US-Unternehmen und -Arbeiter fair behandelt werden“, sagt Handelsminister Wilbur Ross. Die US-Regierung macht Ernst beim Thema Protektionismus. Als erste deutsche Firmen sind die Stahlkocher der Salzgitter AG und der Dillinger Hütte betroffen. Beide Firmen sollen Strafzölle zahlen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) fordert einen Gegenschlag der EU-Kommission: Das erste Kapitel im Drehbuch für einen Handelskrieg ist aufgeschlagen.

US-Präsident Donald Trump unterzeichnete am Freitag zwei Dekrete, mit denen sämtliche Handelsbeziehungen der USA auf Schieflagen untersucht werden. Handelsminister Ross sprach von einem „neuen Kapitel“ in der US-Handelspolitik. Im Fokus stehen die Länder, mit denen die USA ein großes Handelsdefizit haben – das ist zuallererst China. Doch Trump hat auch schon mehrfach kritisiert, dass der relativ schwache Euro im Verhältnis zum Dollar es deutschen Firmen leicht mache, ihre Produkte in den USA zu verkaufen. Wo es künftig langgehen soll, macht die US-Regierung schon einmal bei der Stahlbranche deutlich. Das hat hochgradig symbolischen Charakter, denn die Stahlindustrie steht für die Branchen, die Trump wieder stark machen und deshalb vor angeblich unfairen ausländischen Konkurrenten schützen will.

Im konkreten Fall hat sich das Handelsministerium ausgewählte Stahlimporte im Jahr 2015 mit einem Gesamtwert von 732 Millionen Dollar genauer angeschaut. Mit 196 Millionen Dollar kam der größte Anteil aus Deutschland. Der Salzgitter AG und der Dillinger Hütte wird dabei vorgeworfen, Stahl 5,4 beziehungsweise knapp 23 Prozent unter dem „fairen Wert“ in die USA eingeführt zu haben – so das vorläufige Resultat der Untersuchungen. Auf Basis dieser Zahlen soll der Zoll nun schon einmal Geld bei den Firmen eintreiben. Endgültige Ergebnisse sollen im Mai folgen.

Das Management der Salzgitter AG zeigt sich verwundert: Es handele sich in dem Fall um sogenanntes Grobblech, das an ein eigenes Werk in den USA geliefert worden sei, das Stahlrohre herstelle. Der Vorwurf, Waren unterhalb der Herstellungskosten verkauft zu haben, sei haltlos, so ein Sprecher des Unternehmens.

Gabriel fordert Gegenschlag

Gabriel sagte am Freitag, er nehme das Anti-Dumping-Verfahren „mit großem Unverständnis zur Kenntnis“. Die Zielrichtung ist für ihn klar: „Die US-Industrie soll geschützt werden, indem man die bessere deutsche Stahlindustrie benachteiligt.“ Experten machen denn auch darauf aufmerksam, dass die Produktivität der US-Stahlkocher, weltweit Nummer vier, vielfach deutlich unter dem Niveau der europäischen Konkurrenten liegt, vor allem weil Investitionen in den vergangenen Jahren zurückgefahren wurden.

Für den Außenminister steht fest, dass die US-Regierung beim Dumping-Vorwurf mit Berechnungsmethoden hantiert, die nicht den internationalen Standards der Welthandelsorganisation (WTO) entsprechen. Es geht dabei um komplexe Verfahren. Basiswert ist in der Regel der Inlandspreis für eine bestimmte Stahlsorte. Wird sie im Ausland deutlich unter diesem Wert verkauft, liegt Dumping nahe. In die Kalkulationen fließen aber auch internationale Preisniveaus für die jeweiligen Produkte ein.

Die WTO erlaubt ausdrücklich „Handelsschutzmaßnahmen“, wenn Dumping und unerlaubte Subventionen festgestellt werden. Für Gabriel besteht kein Zweifel, dass die US-Regierung mit „buchhalterischen Tricks“ arbeitet und damit gegen internationales Handelsrecht verstößt, um ihren Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen: „Die EU muss nun prüfen, ob auch sie Klage bei der WTO erhebt“, so der Außenminister. Gegen die US-Regierung müsse klar Stellung bezogen werden.

Branchenkenner gehen davon aus, dass Trump sich mit seinem rabiaten Vorgehen eine günstige Position für künftige Verhandlungen über Handelsverträge verschaffen will. Die Stahlbranche ist da ein idealer Kampfplatz für einen Streit über Dumping. Nach Berechnungen der Nord LB liegt die weltweite Auslastung der Stahlwerke mit knapp 70 Prozent „nahe historischer Tiefstände“. Das hat die Preise massiv gedrückt. Die Chinesen, die fast die Hälfte des weltweiten Stahls herstellen, werfen das Metall zu Niedrigpreisen auf den Markt, um heimische Werke zu sichern. Die EU erhebt deshalb bereits Strafzölle gegen China – in Übereinstimmung mit den WTO-Regeln.

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