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Grünes Licht für Dobrindts Maut

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Von: Tim Szent-Ivanyi

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Wer fahren will, muss zahlen: Pkw und Lkw passieren eine Mautbrücke auf der Bundesautobahn 14 im Norden von Leipzig.
Wer fahren will, muss zahlen: Pkw und Lkw passieren eine Mautbrücke auf der Bundesautobahn 14 im Norden von Leipzig. © dpa

Der Bundesrat winkt das umstrittene Projekt durch, obwohl er es hätte verhindern können. Damit ist die CSU vorerst am Ziel. Doch ob die Maut wirklich kommt, ist weiter unsicher.

Der Weg für die Einführung der Pkw-Maut ist frei – vorerst. SPD, Grüne und Linkspartei nutzten am Freitag ihre Mehrheit im Bundesrat nicht, um das CSU-Projekt zu verzögern oder sogar ganz zu Fall zu bringen. Stattdessen ließen die Länder die dafür notwendigen Gesetz ungehindert passieren. Damit kann Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nun weitere Schritte zur Umsetzung der „Infrastrukturabgabe“ von jährlich bis zu 130 Euro einleiten. Sie soll ab 2019 oder sogar erst ab 2020 erhoben werden und trifft zumindest in der ersten Phase ausschließlich Menschen mit Wohnsitz im Ausland. Ob die Maut aber tatsächlich jemals kommt, ist weiterhin höchst unsicher. Österreich kündigte am Freitag an, vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu ziehen.

Die Länderkammer hätte aufgrund der Mehrheitsverhältnisse die Möglichkeit gehabt, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen. Dieser Schritt war auch von den zuständigen Fachausschüssen des Bundesrates empfohlen worden. Zwar hätte die Länderkammer das Gesetz nicht endgültig stoppen können, weil es nicht zustimmungspflichtig ist. Jedoch hätte sie die Verhandlungen bis zur Bundestagswahl in die Länge ziehen können. Dann wäre das unfertige Gesetz wie üblich am Ende der Wahlperiode verfallen.

Davon machten die Länder aber keinen Gebrauch. Dabei dürften insbesondere pragmatische Gründe eine Rolle gespielt haben: Treten die Vorhersagen ein, dass die Maut am Ende mehr kostet als sie einbringt, dann bleibt der Bund auf den Mehrkosten sitzen. Werden am Ende aber die von Dobrindt prognostizierten 500 Millionen Euro in die Kassen gespült, profitieren auch die Bundesländer, weil mehr Straßen saniert und ausgebaut werden können. Zudem wollte sich die SPD offenbar nicht vorwerfen lassen, sich nicht an Vereinbarungen zu halten – die Pkw-Maut steht im Koalitionsvertrag von SPD und Union.

Hinzu kommt, dass die SPD ihren Koalitionspartner CSU nicht unnötig provozieren wollte. Denn die SPD möchte in dieser Wahlperiode zum Beispiel noch eine Begrenzung der Managergehälter und das Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit durchsetzen. Dazu braucht sie die Union. In Länderkreisen hieß es zudem, Bayern habe mit Konsequenzen beim Länderfinanzausgleich gedroht, sollte die Maut scheitern. Dieses Finanzgesetz wird in den kommenden Wochen beraten. Am Ende hing nach Angaben aus den Ländern eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses von Thüringen ab. Das von Linken und SPD geführte Land enthielt sich aber.

Die Gegner der Maut können auch deshalb entspannt sein, weil die Gebühr wegen der längeren technischen Vorarbeiten nicht sofort in Kraft treten kann. Nach der Bundestagswahl kann eine neue Regierung das Projekt leicht beerdigen, ohne dass übermäßige Kosten entstanden wären. Möglich ist auch, dass der EuGH die Maut stoppt. Zwar gab es für Dobrindt von der EU-Kommission grünes Licht für das nun vom Bundesrat genehmigte Gesetz. Doch nach wie vor gibt es erhebliche Zweifel, ob die Maut, die nur Menschen mit Wohnsitz im Ausland trifft, mit dem europäischen Recht vereinbar ist. Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried sagte, die „Ausländermaut“ sei eine Diskriminierung aufgrund der Staatszugehörigkeit.

Eigentlich war die Pkw-Maut schon 2015 von den Parlamenten beschlossen worden. Da Brüssel kurz darauf ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland eröffnete, wurden die Gesetze aber nicht umgesetzt. Dobrindt einigte sich jedoch im Dezember 2016 mit der EU-Kommission auf Änderungen am Modell. Diese Nachbesserungen sind nun beschlossene Sache. Konkret sollen die Preise der Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland stärker differenziert werden. Je nach Hubraum und Schadstoffklasse wird die 10-Tages-Vignette zwischen 2,50 und 25 Euro kosten, der Zwei-Monats-Pass zwischen sieben und 50 Euro. Die Jahreskarte kostet maximal 130 Euro.

Die Einigung mit der EU-Kommission sieht auch Änderungen für Inländer vor. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass die von den hiesigen Pkw-Fahrern bezahlte Maut vollständig durch eine Senkung der Kfz-Steuer kompensiert wird. Fahrer besonders schadstoffarmer Autos der Schadstoffklasse 6 bekommen künftig bei der Kfz-Steuer aber deutlich mehr Geld wieder, als sie selbst für die Mautvignette zahlen. Die Kompensation für die Inländer lässt sich zu einem späteren Zeitpunkt allerdings leicht ändern, da Maut und Steuerermäßigung in zwei verschiedenen Gesetzen geregelt sind.

Forderungen der Länder, mautfreie Autobahnabschnitte in den Grenzregionen zuzulassen, hatte die Bundesregierung abgelehnt. Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) warnte am Freitag erneut vor Einbußen für Handel und Gastronomie in den Grenzregionen. Dobrindt will nun in einem nächsten Schritt eine europaweite Ausschreibung starten, mit der ein Betreiber für das Mautsystem gesucht wird.

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