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Grüner Wasserstoff aus der Wüste

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Von: Joachim Wille

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Unweit von Lüderitz in Namibia – ideale Verhältnisse für die Produktion von Wasserstoff.
Unweit von Lüderitz in Namibia – ideale Verhältnisse für die Produktion von Wasserstoff. © picture alliance / imageBROKER

Viel Fläche, reichlich Sonne und Wind: Afrika könnte zum Exporteur erneuerbarer Energie werden. Deutsche Firmen planen Projekte von Ägypten bis Südafrika.

Der Startpunkt für die „Grüne Opec“? Die Region in Namibia, in der eines der bisher größten Wasserstoffprojekte weltweit entstehen soll, war früher ein Sperrgebiet für den Diamantenabbau in der Wüste. Es ist extrem trocken dort, es regnet praktisch nie. Wenn hier, unweit der Hafenstadt Lüderitz, überhaupt etwas wächst, dann sind es spärliche Büsche, die nur dank des Nebels überleben können, der sich ab und an nachts über dem kühleren Atlantik bildet und dann ins Landesinnere driftet. Aber dafür gibt es hier im südwestlichen Afrika zwei Ressourcen, die in der post-fossilen Welt immer wichtiger werden: jede Menge Sonne und viel Wind.

Es war ein großer Erfolg für grüne H2-Technik „made in Germany“. Das Konsortium „Hyphen“, bestehend aus dem Branchenpionier Enertrag aus Dauerthal in Brandenburg und dem Infrastrukturentwickler Nicholas Holdings, hat Ende vergangenen Jahres von der Regierung in Windhuk den Zuschlag für den Bau des riesigen Energieparks bekommen, der ab 2026 grünen Wasserstoff liefern soll.

Windkraftanlagen und Solarfelder sollen dort entstehen, die im Endausbau fünf Gigawatt Ökostrom liefern, was bei voller Leistung der Kapazität fünf AKWs entspricht. Zudem eine Elektrolyseanlage zur Wasserstoffgewinnung und eine Meerwasserentsalzungsanlage, um in der trockenen Region überhaupt die nötigen Mengen H2O dafür bereitstellen zu können. Dann ein Werk, um aus dem dort hergestellten Wasserstoff besser transportable Derivate wie E-Fuels oder Ammoniak zu machen. Und als Ergänzung ein neues Verladeterminal bei Lüderitz, um die gasförmigen oder flüssigen Produkte zu verschiffen. Angepeilt ist eine Produktionsmenge von jährlich 300 000 Tonnen grünen Wasserstoffs für den regionalen und den internationalen Markt.

Erneuerbare Energie: 9,4 Milliarden US-Dollar werden in Namibia investiert

Das Projekt hat ein Investitionsvolumen von 9,4 Milliarden US-Dollar. Es sind Dimensionen, wie man sie im Afrika-Geschäft bisher allenfalls von den Chinesen kennt. „Der bisherige Investitionsbestand der deutschen Wirtschaft im gesamten Afrika beträgt zwölf bis 13 Milliarden Dollar“, sagt Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.

Falls das Namibia-Projekt Schule mache, könne das die Zusammenarbeit zwischen Europa und dem afrikanischen Kontinent auf ganz neue Fundamente stellen. Weitere H2-Projekte deutscher Unternehmen sind mit Ländern wie Ägypten, Marokko, Mauretanien und Südafrika in Vorbereitung. Es sei eine ökonomische Chance gerade auch für viele Länder, die bisher im Windschatten der internationalen Wirtschaft seien.

„Damit könnte Afrika reich werden“, meint Liebing, der selber Unternehmer ist und kurz davor steht, mit seiner Firma ein Wasserstoffprojekt in Angola abzuschließen. Das könne eine „grüne Opec“ werden – aber, wenn gemeinsam von Nord und Süd aufgebaut, ohne das Drohpotenzial des Erdöl-Vorbilds.

Weltweit ist ein Run um die besten Startpositionen ausgebrochen, seitdem Wasserstoff Ende der 2010er Jahre als Schlüsselelement für die Energiewende in der Industrie, aber auch für Anwendungen im Schiffs- und Flugverkehr identifiziert wurde. Noch dringlicher erscheint die Umstellung auf das „grüne“ Gas, seitdem Russlands Machthaber Putin die Ukraine überfallen hat. Alternativen zu den fossilen Energien werden gebraucht - und das möglichst schnell.

Erneuerbare Energie: Wasserstoff aus Afrika günstiger

Auch Deutschland versucht seit einiger Zeit, sich günstige H2-Quellen im Ausland zu erschließen. Denn es ist klar: Die benötigten Mengen Wasserstoff werden so groß sein, dass sie mit heimischem Ökostrom alleine kaum hergestellt werden können. Die Ausbaupläne der neuen Ampel-Bundesregierung für Wind- und Solaranlagen sind bereits ambitioniert, doch um neben den normalen Stromanwendungen auch den H2-Bedarf komplett zu decken, müssten sie noch deutlich aufgestockt werden. Das erscheint vielen Expert:innen kaum machbar, da die Flächen fehlen. Allenfalls bei der Offshore-Windkraft gäbe es längerfristig noch Potenziale. Der Strom ist hier allerdings noch vergleichsweise teuer.

Weltweit gibt es mehrere Regionen, in denen Ökostrom sehr billig produziert werden kann, weil die Sonne oft scheint und/oder viel Wind weht. Fachleute nennen vor allem Nordwestafrika mit Marokko als Vorreiter, die Arabische Halbinsel, Australien, Chile – und eben Westafrika. Das Bundesforschungsministerium hat im vorigen Jahr die Potenziale ermitteln lassen. Ergebnis: Alleine in Westafrika ließe sich jährlich die gigantische Menge von bis zu 165 000 Terawattstunden grüner Wasserstoff herstellen. Das entspreche der 110-fachen Menge, die Deutschland im Jahr 2050 voraussichtlich werde importieren müssen, rechnet das Ministerium vor.

Ein weiteres Argument sind die Kosten. Der Wasserstoff könne dort für 2,50 Euro pro Kilogramm produziert werden, während es bei in Deutschland hergestelltem Wasserstoff laut Studien auch 2050 noch rund 3,80 Euro sein würden.

Freilich: Diese Wasserstoff-Visionen für den Nachbarkontinent erinnern stark an den Hype um das Wüstenstrom-Projekt „Desertec“. Damit sollte in Nordafrika Strom gewonnen und per Fernleitungen nach Europa transportiert werden. Desertec, maßgeblich von deutschen Konzernen und Banken vorangetrieben, wurde 2014 praktisch beerdigt. Afrika-Kenner Liebing glaubt, dass die damaligen Fehler im Konzept diesmal vermieden werden können. Der Transport von Wasserstoffderivaten mit Tankschiffen sei einfacher zu lösen als der von Strom über Fernleitungen durch Sahara und Mittelmeer, sagt er. „Außerdem wurde damals der Energieexport zu stark betont. Diesmal muss es darum gehen, auch die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft vor Ort abzudecken. Eine Win-win-Situation für beide Seiten.“

Erneuerbare Energie: Auch Lüderitz soll profitieren

Bei dem Hyphen-Projekt in Namibia ist das mitbedacht, wohl einer der Gründe dafür, dass das Konsortium den Zuschlag bekam. So soll damit auch das Stromnetz in der Region und die öffentliche Wasserversorgung von Lüderitz verbessert werden. Die geplante Meerwasserentsalzungsanlage wird nach den Plänen so dimensioniert, dass sie nicht nur für die H2-Produktion reicht, sondern auch den kompletten jährlichen Bedarf von Haushalten und Gewerbe der 12 500-Einwohner-Kommune in Höhe von rund 1,1 Millionen Kubikmeter abdecken kann. Zudem warben die Deutschen damit, dass während der Bauzeit 15 000 und später dauerhaft 3000 Jobs geschaffen würden.

Probleme damit, dass das H2-Projekt in einem von Namibia ausgewiesenen Nationalpark (genannt „Tsau-Khaeb“, Sperrgebiet) liegen wird, sieht man bei dem Konsortium nicht als Problem. Untersucht wird eine Fläche von 400 000 Hektar in dem früheren Sperrgebiet des Diamantenabbaus, was in etwa der anderthalbfachen Fläche des Saarlandes entspricht. Darin gebe es „klar definierte Zonen, die die Nutzung erneuerbarer Energien erlauben oder ausschließen“, erläutert Enertrag-Sprecher Matthias Philippi. Das Unternehmen lasse unabhängige Umweltgutachten nach den strengen Weltbank-Standards durchführen. Ökologisch sensible Zonen seien dabei tabu, verspricht er.

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