Grün Anlegen: Klare Regeln, bessere Beratung

Zum Auftakt der Fair-Finance-Week am Montag in Frankfurt weisen Fachleute den Weg zu nachhaltigem Investment.
Vor wenigen Jahren noch war es ein Nischenthema – jetzt ist es Mainstream in der Finanzwirtschaft. Nachhaltigkeit steht in der Finanzindustrie und bei der Geldanlage im Fokus wie nie zuvor. Längst sind und müssen auch konventionelle Banken auf den Zug aufspringen. Aber all das wirft Fragen auf, zumal es noch keine einheitlichen Regeln gibt, an denen sich Geldhäuser, Fondsgesellschaften, die Industrie orientieren können. Auch den Anlegerinnen und Anlegern fehlen vergleichbare Informationen, welche Finanzprodukte wirklich nachhaltig sind.
„Geld bewegt die Welt – aber in welche Richtung?“ lautete denn auch am Montagabend im Haus am Dom das Thema der Auftakt-Veranstaltung zur achten Fair Finance Week in Frankfurt, getragen unter anderem von der Evangelischen Bank Frankfurt und den Nachhaltigkeitsbanken GLS und Triodos. Auf dem Podium diskutierte der Europaabgeordnete der Grünen, Sven Giegold mit Anke Behn, Referentin der Verbraucherzentrale Bremen, dem Chef des Instituts für nachhaltige Kapitalanlage, Rolf Häßler, und Christian Klein, Professor für nachhaltige Finanzwirtschaft an der Uni Kassel.
Was ist nachhaltiges Investment? Die EU-Taxonomie lässt auf sich warten
Schnell wurde klar, wie komplex und schwierig das Thema ist, solange die Taxonomie der EU fehlt, die die Standards für nachhaltige Investments setzen soll. Das heiße Eisen derzeit, da ist man sich ziemlich einig: Die Debatte darüber, ob Atomkraft als nachhaltig und klimafreundlich eingestuft werden soll. Zumal Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offenbar nicht abgeneigt ist, dem Wunsch vor allem Frankreichs zu folgen. Giegold zeigte sich entsetzt: Wenn es tatsächlich so weit komme, drohe Europa in Sachen Nachhaltigkeit zur Lachnummer zu werden. Mit diesen Standards würde die EU unglaubwürdig und hinter die Finanzindustrie zurückzufallen. Noch könne das verhindert werden. Der Europaabgeordnete der Grünen appelliert an von der Leyen zu warten, bis eine neue Bundesregierung gebildet ist. Ebenso sei es fragwürdig, dass auch Gas als nachhaltig eingestuft werden soll. „Warum reden wir in Deutschland so intensiv über Atomkraft und nicht über CO2-schädliches Gas?“, fragte auch Klein.
Der Kasseler Professor plädierte im Übrigen dafür, Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft und in der Geldanlage nicht zu dogmatisch zu betrachten. „Nachhaltig ist auch das, was möglichst wenig Schaden anrichtet. Fangen wir doch damit an.“ Man müsse die Thematik pragmatischer angehen, um zu Veränderungen zu kommen. Gleichzeitig gebe es immer noch zu viele Missverständnisse in Sachen Nachhaltigkeit, klagte Klein. Manche Anlegerinnen oder Anleger glaubten tatsächlich, dass eine bestimmte Menge CO2 aus der Luft verschwinde, wenn sie einen Euro in einen nachhaltigen Fonds investierten. „Aber wenn ich eine Tesla-Aktie kaufe, passiert dies eben nicht. Die Aktie wechselt nur ihren Besitzer.“ Da gebe es keine direkte Verbindung zu Klima, umschreibt Klein eines der Probleme. Gleichwohl spreche das nicht gegen ein solches Investment.

Nicht nur wegen solcher Aspekte sieht sich Anke Behn, Nachhaltigkeitsreferentin der Verbraucherzentrale Bremen, immer mehr und öfter mit Beratungsbedarf in Sachen „sauberer“ Geldanlage konfrontiert. Spätestens mit „Fridays for Future“ seien solchen Fragen in die Privathaushalte hineingeschwappt. Gleichzeitig steige die Verunsicherung wegen der Debatte über „Greenwashing“, also über Geldanlagen, die nachhaltiger erscheinen wollen als sie sind.
Da es noch keine Standards gebe, so Behn, sollten sich Anlegerinnen und Anleger genau überlegen, was sie überhaupt im Blick auf nachhaltige Geldanlage im Auge haben.
Erhebliche Fortschritte bei nachhaltigen Investments trotz fehlender EU-Taxonomie
Rolf Häßler, Geschäftsführer des Instituts für nachhaltige Geldanlagen, das vor allem große institutionelle Anleger berät, sieht trotz fehlender Taxonomie erhebliche Fortschritte, nicht nur weil es seit Frühjahr eine EU-Transparenzrichtlinie gibt, der zufolge Fonds offenlegen müssen, wie und in welche Richtung sie nachhaltig investieren.
Die Entwicklung sei nicht nur durch die Regulatorik getrieben, sondern auch durch eigene Erkenntnisse von Großanlegern. „Bei Kirchen und Stiftungen etwa ist die Erkenntnis gewachsen, dass man seine Anlageziele auch mit Nachhaltigkeit erreichen und damit Geld verdienen kann.“
Möglicherweise werden dafür und für andere wichtige Fragen in Sachen Sustainable Finance die Standards künftig in Frankfurt gesetzt. Und das gleich global. Frankfurt hat gerade den Zuschlag für den Sitz des Boards und für das Büro des Chairs, also des Vorsitzes, des neuen International Sustainability Board (ISSB) erhalten. Das soll die künftigen globalen Mindeststandards für die finanzielle Berichterstattung in Sachen Nachhaltigkeit setzen.