Großes Gefälle bei Stromtarifen

Stadtwerke sind meistens deutlich teurer als Alternativanbieter. Seit der Liberalisierung der Energiemärkte gibt es konkurrierende Anbieter in großer Zahl.
Im Geschäft mit Strom geht die Schere immer weiter auseinander. Die Differenz zwischen den Tarifen in der Grundversorgung und den sogenannten Sonderverträgen hat seit dem Jahr 2008 deutlich zugenommen. Dies geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion und aus einer Berechnung des Verbraucherportals Verivox hervor.
Nach Verivox-Berechnungen lag im April 2019 der durchschnittliche Wert für einen Tarif des örtlichen Versorgers in der Grundversorgung bei 32,06 Cent. Das von dem Verbraucherportal empfohlene preiswerteste Angebot der Billiganbieter lag bei 27,29 Cent. Der Durchschnitt der 50 günstigsten Tarife außerhalb der Grundversorgung lag bei 27,47 Cent. Das ergibt eine Differenz von mehr als 4,5 Cent pro Kilowattstunde zum Grundversorger. Dies kann bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Haushalt zusätzliche Ausgaben von mehr als 150 Euro im Jahr ausmachen.
Grundversorger sind die Energieunternehmen in einem lokalen Netzgebiet mit den meisten Haushaltskunden. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um die örtlichen Stadtwerke. Es ist gesetzlich geregelt, dass alle Grundversorger die Pflicht haben, allen Haushalten elektrische Energie zu liefern. Dies gilt als Teil der Daseinsvorsorge und soll verhindern, dass Verbraucher ohne Strom dastehen.
Seit der Liberalisierung der Energiemärkte gibt es konkurrierende Anbieter in großer Zahl, die sogenannte Sonderverträge anbieten. Der überwiegende Teil der Angebote ist günstiger als der Grundversorgungstarif. Das hat verschiedene Gründe. Vor allem unterliegen die Alternativanbieter nicht der Lieferpflicht. Sie können sich also ihre Klientel aussuchen.
Grundversorger führen immer wieder an, dass problematische Kunden, die beispielsweise ihre Rechnung nicht regelmäßig begleichen, hohe Kosten verursachen, die dann auf den Grundversorgungstarif aufgeschlagen werden müssen. Die höheren Preise werden häufig auch von älteren Menschen gezahlt, die mit einem Anbieterwechsel überfordert sind.
Für Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, zeigen die Zahlen: „Mit der Grundversorgung haben sich die Stadtwerke eine lukrative Einnahmequelle erschlossen.“ Die Ärmsten in der Gesellschaft zahlten aktuell die höchsten Strompreise. Es gehe nicht, dass der Geringverdiener mit zwei Kindern rund 150 Euro mehr zahle als der Zahnarzt in der gleichen Stadt. „Die Lücke zwischen den unterschiedlichen Vertragsarten gilt es deutlich zu verkleinern“, sagte Krischer. Ein Unterschied von einem Cent sei eine realistische Größenordnung. „Wenn der Stromversorger mehr will“, so der Grünen-Politiker, „muss er entsprechende Kosten nachweisen.“
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), in dem sich die Stadtwerke organisiert haben, räumt Preisdifferenzen ein. Ein Sprecher macht aber auch darauf aufmerksam, dass die Grundversorgung das höchste Risiko und mit die höchsten Kosten für den Energieversorger birgt. Durch die kurze Kündigungsfrist von zwei Wochen könne der Verbraucher jederzeit wechseln, was eine andere Strategie bei der Beschaffung der elektrischen Energie verlange als bei Sonderverträgen, die in der Regel für ein oder zwei Jahre abgeschlossen würden.
Für den Verband ist aber auch klar: „Die Strompreise sind in Deutschland insgesamt zu hoch. Wir brauchen dringend eine Reform des Systems der staatlich veranlassten Abgaben, Umlagen und Energiesteuern, um die Stromkunden zu entlasten“, so der Sprecher.