Geplatzte Pilotenträume

Vom einstigen Traumberuf Flugzeugkapitän wird nach der Corona-Krise nicht mehr viel übrig sein.
Fragt man Piloten nach ihrer Motivation, erzählen sie häufig Geschichten aus ihrer Kindheit, in der sie bereits die Faszination des Fliegens verspürt haben. Doch die Corona-Pandemie hat den Neigungs- und Traumberuf schwer in Mitleidenschaft gezogen, denn die Luftverkehrsindustrie wurde als erste Branche besonders heftig und dann auch noch besonders nachhaltig getroffen. Auf einen Schlag sind weltweit Tausende Piloten auf die Straße gesetzt worden, ihre Perspektive ist über Jahre hinweg unklar.
„Ich habe mir eigentlich nie vorstellen können, als Pilot mit viel Flugerfahrung arbeitslos zu werden“, erzählt ein früherer Air-Berlin-Pilot. Nach 16 ununterbrochenen Jahren im Cockpit musste sich der 41-Jährige in diesem Frühjahr erstmals arbeitslos melden und hofft auf einen Wiedereinstieg. „Eine sofortige Umschulung in einen anderen Beruf macht auch für das Arbeitsamt zur Zeit keinen Sinn. Und ich habe schließlich selbst über 60 000 Euro in meine Ausbildung und meinen Beruf investiert. Das soll nicht umsonst gewesen sein.“
Doch die Aussichten sind trübe: Die europäische Cockpitvereinigung ECA kommt bereits auf 15 000 bedrohte oder schon verlorene Pilotenjobs in Europa. Mit geschätzt 6500 Stellen entfällt dabei der größte Anteil auf Piloten, die schon vor der Krise in unsicheren, atypischen Beschäftigungsverhältnissen unterwegs waren. Wie bei Auftragslücken in der Industrie mussten Leiharbeiter (Contract Pilots) als erste gehen.
Dazu kommen die Leidtragenden von Airline-Pleiten wie bei Flybe, Air Italy oder der deutschen Luftverkehrsgesellschaft Walter (LGW). Die Ryanair-Tochter Lauda schloss rabiat die Basen in Stuttgart und Düsseldorf. Bei der Sanierung der Norwegian gingen deren Crew-Agenturen in die Insolvenz, und rund 1600 Piloten verloren ihre Jobs. Wer wieder eingestellt wird, ist unklar.
Noch nicht ausverhandelt oder mit Kurzarbeit auf unbestimmte Zeit verschoben sind Jobverluste bei Branchenriesen wie British Airways, Lufthansa, SAS, KLM oder Easyjet. Laut Lufthansa-Chef Carsten Spohr stehen allein bei der Lufthansa-Kerngesellschaft 800 der 5000 Pilotenstellen auf der Kippe. Noch versucht die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit mit Gehaltsverzicht und Teilzeitregeln Entlassungen zu verhindern.
Job-Alternativen gibt es in Corona-Zeiten nur wenige. Bislang konnten arbeitslose Piloten im fliegerischen Umfeld leicht Zwischenjobs finden, weil sie das Metier und die Abläufe am Flughafen kennen. Aber auch dort herrscht derzeit Flaute. „Es ist schon ein kleines und abgeschlossenes System, in dem ich arbeite. Der Arbeitsmarkt ist überschaubar. In gewisser Weise ist man da eine Art Fachidiot, zumindest wird die Qualifikation Pilot außerhalb der Fliegerei kaum anerkannt“, klagt der arbeitslose Ex-Air-Berliner.
Die Nachwuchs-Piloten des Lufthansa-Konzerns an der traditionsreichen Flugschule in Bremen fühlen sich in der Krise allein gelassen. In einem Brandbrief protestierten sie im Juli gegen die erneute Verlängerung der Trainingspause, mahnten Informationen zur Gültigkeit bereits erworbener Qualifikationen an, fragten nach Auffrischungskursen und einer verlängerten Stundung ihrer Eigenanteile. Nicht wenige Flugschüler erwägen den Absprung aus der Ausbildung, hätten aber gerne die Zusicherung, später wieder einstiegen zu können.
Aus dem einstigen Traumberuf ist in der Corona-Krise ein Job mit äußerst ungewisser Zukunft geworden. (dpa)