Bessere Bezahlung: Mehr Lohn herausholen

Weniger als die Hälfte der Beschäftigten fragt von sich aus nach mehr Gehalt. Dabei lässt sich die eigene Bezahlung mit Verhandlungsgeschick oft verbessern.
Manche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen blicken mit gemischten Gefühlen auf die laufenden Tarifverhandlungen. Die Gewerkschaften fordern ein zweistelliges Lohnplus. Vor allem für die weniger Verdienenden wollen sie einen Ausgleich für die gestiegenen Lebenshaltungskosten herausholen. Das können sie, notfalls mit Streiks, zumindest auch teilweise erreichen. Die Einzelkämpfer:innen unter den Beschäftigten haben es da schwerer. Wenn ihr Betrieb nicht tarifgebunden ist oder sie ohnehin außertariflich bezahlt werden, liegen Lohn- und Gehaltserhöhungen in ihrer eigenen Hand.
Die steigenden Preise belasten alle. Da heißt es, selbst bessere Konditionen auszuhandeln. Das fällt vielen Beschäftigten, die eine Verhandlungssituation nicht gewohnt sind, schwer. Besonders knifflig wird es, wenn die wirtschaftliche Lage des Betriebes nicht eben rosig erscheint. Doch mit einer guten Planung und Vorbereitung ist auch in diesen Fällen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen nicht aussichtslos. Das gilt auch für Menschen ohne Berufsabschluss. Durch den Arbeitskräftemangel steigt in vielen Branchen auch für sie die Chance auf bessere Konditionen, denn ein Wechsel zu anderen Arbeitgebern ist derzeit oft problemlos möglich.
Aktiv werden
Selten bietet der Chef oder die Chefin von sich aus eine bessere Entlohnung an. Das geschieht wohl nur, wenn die konkrete Sorge besteht, gute Leute an die Konkurrenz zu verlieren. Der Umkehrschluss lautet: Nur wer selbst aktiv das Gespräch sucht, wird bessere Konditionen erlangen können. Das bestätigt auch eine Umfrage des Jobportals Stepstone, die allerdings schon vor der Pandemie erhoben wurde. Danach fragen lediglich vier von zehn Beschäftigten ihre Arbeitgeber regelmäßig nach einer Gehaltserhöhung. Die anderen verzichten darauf. Die Mehrheit derer, die schon einmal eine Lohnerhöhung bekommen haben, hat zuvor danach gefragt.
Die Gründe für die Zurückhaltung sind vielfältig. Da sind die Scheu, über Geld zu reden, oder die Sorge, dass Forderungen beim Arbeitgeber schlecht ankommen. In diesen Fällen ist Selbstüberwindung gefragt. Dabei sind die Chancen auf eine Besserstellung seither noch gewachsen. Der Fachkräftemangel bringt viele Arbeitgeber unter Druck, weil sie die Abwanderung guter Leute an die Konkurrenz verhindern müssen.
Gut vorbereiten
Nichts ist schlimmer, als unvorbereitet in ein Gespräch über Geld zu gehen. Sammeln Sie also Informationen zu den üblichen Entgelten in ihrem Job. Und formulieren Sie für sich ihr Verhandlungsziel und mögliche Alternativen zu mehr Geld wie zusätzliche freie Tage oder anderes. Ebenso wichtig sind die Argumente, die für Sie sprechen. Welche Projekte, welche Aufträge, die Sie erledigt haben, brachten das Unternehmen weiter? Welche zusätzliche Verantwortung wurde Ihnen übertragen, ohne dass dies schon in der Entlohnung berücksichtigt wurde? Je konkreter Ihre Leistungen benannt werden können, desto leichter fällt es, andere zu überzeugen.
Der richtige Zeitpunkt
Eine einheitliche Regel für den besten Zeitpunkt gibt es nicht. Doch ein paar taktische Erwägungen sollten berücksichtigt werden. Geht es dem Unternehmen gerade wirtschaftlich schlecht, sinken auch die Aussichten auf ein besseres Gehalt. Auf absehbar bessere Zeiten zu warten, ist dann angebracht. Und beide Seiten sollten Zeit für ein ausführliches Gespräch haben. Sie sollten also einen konkreten Termin mit dem Verantwortlichen aufseiten des Arbeitgebers vereinbaren.
Wie viel mehr soll es sein
Hier heißt es, bloß keine falsche Bescheidenheit – und bloß kein Übermut. Wird nach den Gehaltsvorstellungen gefragt, sollten Sie einen konkreten Gehaltswunsch nennen. Dabei können Sie sich an der Entlohnung orientieren, die andere im Betrieb mit gleichen Aufgaben erhalten. Da darüber meist nicht geredet wird, hilft eine Recherche in Gehaltsdatenbanken im Internet, zum Beispiel unter www.gehalt.de. Ein Anhaltspunkt kann auch die aktuelle Inflationsrate sein, die momentan ja immer noch ungewöhnlich hoch ist. Vermeiden sollten Sie überzogene Forderungen. Da winkt der Arbeitgeber schnell ganz ab. Zum realistischen Gehaltswunsch ist ein kleiner Aufschlag möglich, damit auch etwas mehr Verhandlungsmasse geschaffen wird.
Chancen ohne Abschluss
Es sind nicht nur die Kenntnisse und Fähigkeiten, die Einfluss auf den Lohn nehmen. Der formale Berufsabschluss spielt ebenfalls eine gewichtige Rolle. Das heißt, bei gleicher Arbeit werden Leute mit und ohne Berufsabschluss unterschiedlich bezahlt. Ohne gibt es einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge neun Prozent weniger Lohn. „Jeder fünfte Deutsche kann aber mehr als auf dem Papier steht“, stellen die Forscher:innen fest. Das ist ein Ansatzpunkt, um zu einem höheren Einkommen zu gelangen.
Eine Möglichkeit ist das Gespräch mit dem Arbeitgeber über die nicht auf dem Papier stehenden Qualitäten. Sie sind ein gutes Argument für einen Aufschlag. Die Stiftung hat zusammen mit der Arbeitsagentur ein Instrument dafür entwickelt, die eigenen Fähigkeiten besser einzuschätzen. Unter www.myskills.de können Angehörige von 30 Berufen hier ihre beruflichen Kompetenzen erkunden und so auch Gründe für einen höheren Lohn sammeln.
Eine zweite Möglichkeit dauert länger, eröffnet aber Chancen: zusätzliche Qualifikationen erwerben. Eine Studie belegt, dass auch mit späten Abschlüssen die Verdienstaussichten deutlich ansteigen. Ohne Berufsabschluss lagen die durchschnittlichen Löhne vor der Erhöhung des Mindestlohnes im vergangenen Jahr bei 1500 Euro brutto. Mit einem Abschluss im Alter von über 25 Jahren waren es schon über 2500 Euro. „Eine Garantie für mehr Geld gibt es nicht“, räumt Bertelsmann-Experte Eric Thode ein, „doch ist eine bessere Qualifikation ein gutes Argument für mehr Lohn.“ Und wenn sich der Arbeitgeber nicht bewege, lasse sich damit auch leichter eine besser bezahlte Stellung anderswo finden.
Geld ist nicht alles
Womöglich lehnen Vorgesetzte den Wunsch nach mehr Geld ab, weil sich der Betrieb den Aufschlag in der gewünschten Höhe gerade nicht leisten kann. Doch lässt sich mehr Geld vielleicht auch durch andere Vergünstigungen ersetzen. Ein paar Urlaubstage mehr im Jahr oder vom Arbeitgeber finanzierte Fortbildungen, eine kürzere Arbeitszeit oder auch die Nutzung eines Dienstwagens können ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen sorgen. Nur gilt auch hier, die Möglichkeiten im Gespräch mit den Vorgesetzten ins Spiel zu bringen und auszuloten, was machbar ist. (Wolfgang Mulke)