Weniger Trennlinien

Bei der gesetzlichen Regelung zur Kindergrundsicherung sollten Sozialleistungen nicht einzeln, sondern gemeinsam gedacht werden. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Einfach, unbürokratisch und bürgernah. So soll die geplante Kindergrundsicherung nach dem jüngst vom Bundesfamilienministerium veröffentlichten Eckpunktepapier gestaltet werden. Es ist zu befürchten, dass sich dieser Anspruch nicht wird einlösen lassen. Denn die Kindergrundsicherung soll nicht automatisch das kindliche Existenzminimum sichern, sondern aus zwei Bestandteilen bestehen: Dem Garantiebetrag, der dem heutigen Kindergeld entsprechen wird und dem einkommensabhängigen Zusatzbetrag, der beantragt werden muss. Durch Garantie- und Zusatzbeitrag soll dann „das pauschale altersgestaffelte Existenzminimum des Kindes ab[ge]deckt“ werden. Klingt gut – ist es aber nicht. Denn das tatsächliche Existenzminimum eines Kindes liegt meist über der im Eckpunktepapier genannten Pauschale, die für ein Kind einen Wohnkostenanteil von gerade einmal 120 Euro pro Monat enthält.
Es ist absehbar, dass viele Familien zusätzlich zur Kindergrundsicherung einen Anspruch auf Bürgergeld oder auf Wohngeld haben werden. Bei alleinerziehenden Eltern kommt außerdem eventuell noch Unterhaltsvorschuss dazu. Die „Schnittstellen“ zwischen den verschiedenen Leistungen sollen zwar einfach und „friktionslos“ gestaltet werden, zur Ausgestaltung der Schnittstellen sagt das Papier jedoch nichts. Im Gegenteil: Das Verhältnis von Wohngeld und Kindergrundsicherung soll „im weiteren Verfahren geklärt“ werden, was nichts anderes heißt, als dass das Ministerium offenbar auch noch nicht weiß, wie das gehen soll.
Einfacher, unbürokratischer und bürgernäher als eine Kindergrundsicherung wäre ein Sozialgesetz, das für Menschen mit und ohne Kinder Bürgergeld, Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt, Wohngeld und Kinderzuschlag in einer Leistung zusammenfasst. Die Leistung müsste das Existenzminimum sichern, Einkünfte müssten nach einer einfachen und nachvollziehbaren Regel angerechnet werden. Eventuell ließen sich in ein solches Gesetz auch Kindergeld und Unterhaltsvorschuss integrieren. Da das Existenzminimum vom Einzelfall abhängt, ließe sich so ein Gesetz zwar auch nicht auf einen Bierdeckel schreiben. Aber einfacher und unbürokratischer als das heutige um eine Kindergrundsicherung vermehrte Gesetzeskonglomerat wäre es allemal.
Der Autor ist Experte für Sozialrecht.