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Wahlkampf mit Wölfen

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Von: Günther Moewes

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Muss man ihn schützen?
Ökologisch wichtig sind heute nicht mehr Großwildarten, sondern Blütenpflanzen, Insekten, Schmetterlinge, Vögel, Amphibien und andere Klein- und Mitteltiere. © Bernd Weißbrod/dpa

Der Schutz von Wölfen sei Artenschutz, heißt es. Doch stimmt das wirklich? Die Kolumne Gastwirtschaft.

Das täglich anschwellende Wolfsgerede erreichte letzten Freitag sogar die „heute-show“. Weil deren bevorzugte Satire-Objekte, Söder und Eiwanger, Wahlkampf mit dem Abschuss von Wölfen machen. Den hat die Europäische Union aber verboten. Wolfsschutz sei Artenschutz. Stimmt das?

Im Gegensatz zu Steinbock, Luchs, Bartgeier und Kegelrobbe waren die Großwildarten in Europa nie vom Aussterben bedroht. Auch nicht die Wölfe. In Osteuropa, Skandinavien, in den Abruzzen und Pyrenäen hat es immer Wölfe gegeben. In der Natur hatten sie noch ökologische Funktionen: Beseitigung von Fallwild, kranken Tieren und die Reduzierung des Waldfraßes durch Rehe.

Viele denken, in Mitteleuropa habe es einmal eine artenreiche Natur gegeben. Stimmt nicht. 80 Prozent waren äußerst artenarmer „Hainsimsen-Buchenwald“. Kein Amazonas. Artenreich waren nur Flussauen, Moore, Watt und Küsten. Die artenreichste Zeit in Deutschland war die vormaschinelle und vorchemische bäuerliche Kulturlandschaft bis etwa 1960. Die Älteren haben sie noch erlebt. Es ist deshalb unsinnig, im viel zu dicht besiedelten Mitteleuropa eine Rückkehr zu vormenschlicher Natur anzustreben. Sinnvoller ist es, im Einvernehmen mit der Landwirtschaft eine maximal artenreiche, ökologische und erlebbare Kulturlandschaft zu entwickeln. Ökologisch wichtig sind heute nicht mehr Großwildarten, sondern Blütenpflanzen, Insekten, Schmetterlinge, Vögel, Amphibien und andere Klein- und Mitteltiere.

In den vergangenen zehn Jahren ist der Bestand der Wölfe in Deutschland von etwa 160 auf 1300 gestiegen. Den Überbestand von Wildschweinen und Waschbären hat das nicht dezimiert, da Wölfe vor allem von Rehwild leben. Bereits im Jahr 2020 wurden jedoch 4000 Nutztiere getötet oder verletzt, von 2016 bis 2020 insgesamt 11 500. Hauptsächlich Schafe und Ziegen. Zynischer Trost: Das sei nur ein Prozent der Wolfsnahrung.

Schon im Jahr 2016 betrugen die jährlichen Zahlungen der Bundesländer für Schutzmaßnahmen und Ausgleichszahlungen 1,335 Millionen Euro. Verlängert man diese Kurven bei Wikipedia um weitere zehn Jahre, kommt man zu irrwitzigen Zahlen. Schon vorher wird man um eine Bestandsregulierung nicht umhin kommen. Vielleicht reicht ja die Pille.

Der Autor ist emeritierter Professor für Industrialisierung und Wachstumskritiker.

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