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Satire auf dem Schulhof

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Von: Claudia Cornelsen

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Keller eines Gymnasiums in Berlin.
Keller eines Gymnasiums in Berlin. © Annette Riedl/dpa

Die Generation Sanierungsstau entdeckt den Galgenhumor. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.

Seit Jahren wird in Deutschland über marode Schulen gejammert. Undichte Fenster, kaputte Heizung, verstopfte Toiletten. Redet man mit Eltern oder Schülern, sind die Zustände untragbar. Redet man mit Politik und Verwaltung, sind immer andere zuständig. Der hessische Kultusminister lehnte „eine umfassende Bedarfsanalyse betreffend des Sanierungs- und Ausbaubedarfs aller staatlichen Schulgebäude“ mit der Begründung ab: Derlei wäre ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Is klar. Ohne offizielle Bedarfsanalyse, keine offizielle Maßnahme. Is auch klar.

Also stehen die Schulen im Investitionsstau. Erst war die Baubranche überlastet, weil sie zu viel zu tun hatte. Jetzt hat die Baubranche noch mehr zu tun, aber nun fehlt es an Fachkräften. Die könnte man ausbilden, aber, ach ja, dafür fehlt es an funktionsfähigen Schulen. Also weiter wie gehabt: Der Putz bröckelt, der Wasserhahn tropft, der Schimmel blüht.

Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Die Politik entwickelt geradezu geniale Kunstfertigkeit im Nichtstun. Eltern trösten ihre Kinder damit, dass andernorts Unterricht in Luftschutzbunkern stattfindet. Die Schulleitung – „Digitalisierung!“ – lädt massenhaft Dateien auf Lernplattformen hoch. Und die sich vor dem Schulbesuch ekelnde Jugend selbst? Tja.

Nachdem die Generation Greta mit Schulstreiks ihre Klima-Zukunft nicht retten konnte, die Generation Corona zwei Jahre in Home-Schooling-Isolation verbrachte, entdeckt die Generation Sanierungsstau den Galgenhumor.

Auf Instagram findet sich seit wenigen Tagen ein satirischer Account, der pointiert die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufs Korn nimmt. Unter einem Foto vom Kastenfernseher mit DVD-und Videorekorder steht: „Bewundern Sie unsere moderne Ausstattung!“ Der werbliche Satz „Wir investieren nur in wichtige Dinge wie eine aktive Medienpräsenz“ wird illustriert mit der Aufnahme einer provisorischen Spanplatten-Wandverkleidung mit dem Warnhinweis: „Verdecktes Asbest!“ Ein Foto der Toiletten wird zynisch kommentiert: „Um die Außenwelt vor schädlichen Belastungen zu schützen, haben wir uns dazu entschieden, die Belüftung auf den Toiletten abzustellen.“

Sehr lustig. Besorgniserregend ist aber , wenn den Accountbetreibern mit Schulverweis gedroht wird. Vielleicht überdauern unser maroden Schulen am Ende sogar Demokratie und Meinungsfreiheit. Oder was darf Satire?

Die Autorin ist Kommunikationsberaterin.

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