Raus aus der Tabuzone

Die weit verbreitete Blümchensprache in unseren Unternehmen sorgt nicht für mehr Wertschätzung, sondern für Unklarheit, Unverbindlichkeit und Tabus.
Eines Morgens in einem gediegenen Seminarhaus, die Gruppe von Führungskräften nippt am Kaffee und ich serviere eine Frage als Warum-up: „Welches wesentliche Problem wollen Sie hier diskutieren?“
„Die Frage ist falsch“, entfährt es einem der Herren, „das sagen wir hier so nicht. Das ist negativ.“ „Sie machen einen Gag?“, frage ich ebenso spontan nach. Nein, man spreche lieber über Herausforderungen, wesentliche Probleme habe man nicht.
Damit aber noch nicht genug. Im Laufe des Workshops wird klar, welche weiteren Begriffe „auf der schwarzen Liste“ stehen. Disziplin, Zumutung, Position, Streit, Feedback – allesamt negativ konnotiert. Die Gruppe, genau genommen die Organisation, hat sich darauf verständigt, sie nicht mehr zu nutzen. Manche Begriffe werden durch weichere ersetzt, andere fallen ganz weg.
Ist eben alles eine Frage der Definition, ließe sich einwenden. Nein, das ist eben nicht alles. Was dabei vergessen wird, ist die Dynamik dahinter. Verbannen wir beispielsweise den Begriff Problem, dann schaffen wir auf Dauer ein Tabu. Das, was nicht benannt wird, findet nicht statt.
Zusammenarbeit besteht aber aus Kommunikation und nur was in der Kommunikation vorhanden ist, kann bearbeitet werden. Keine Probleme zu haben könnte ein erstrebenswerter Zustand sein?
Im Gegenteil, ohne Probleme gibt es kein Lernen in einer Organisation. Das aber ist ein weiteres Thema. Zurück zur Dynamik. Tabus sind nicht oder nur schwer besprechbar. Ihr Zweck: Diskurs verhindern.
Diskurs aber ist doch das, was sich jedes moderne Unternehmen auf die Fahne schreibt. Da wird mit Klartext, Tacheles, offener Kommunikation und vielen weiteren Floskeln geworben. Und dann trifft dieses Versprechen auf die Realität. Das macht aber nichts, denn die beteiligten Menschen lernen schnell, was hier gesagt werden darf und was nicht. Und nun werden mehr Diskussionen über die Verwendung von Wörtern geführt als über die dahinterliegenden Themen.
Der Weg aus der Tabuzone führt, wie so oft, über die gemeinsame Reflexion. Welche Bedeutung geben wir Begriffen? Warum halten wir einige für unpassend? Was geschieht, wenn wir Tabus schaffen? Wollen wir das? Wenn nein, wie heben wir das Tabu wieder auf?
Die Autorin ist Management-
beraterin. Zuletzt erschien von
ihr das Buch „Erfolg ist ein
Mannschaftssport“.