Mehr Schaden als Nutzen
Der Vorschlag, Geld im GKV-System durch Zuzahlungen der Versicherten einzusparen, ignoriert die empirischen Belege für deren fehlende und vor allem falsche Steuerungswirkung.
Manchen Leuten ist nichts zu blöd. Bekannt durch sozial völlig unausgewogene, gefährliche Vorschläge zur angeblichen Sicherung des deutschen Rentensystems, unterstreicht der Freiburger Professor Bernd Raffelhüschen nun auch eindrucksvoll seine Inkompetenz auf dem Feld der Gesundheitspolitik. Mit seinem massiven Zuzahlungsvorschlag für GKV-Versicherte packt das Mietmaul der privaten Versicherungswirtschaft mal wieder längst überholte olle Kamellen aus.
Mit dem offenbar so dringend benötigten Haschen nach öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit blamiert er sich allerdings nicht nur vor Fachleuten, sondern auch vor einem großen Teil der Bevölkerung durch grobe Unkenntnis der Materie. Geflissentlich nimmt er die mannigfaltigen empirischen Belege für die fehlende und vor allem falsche Steuerungswirkung von Zuzahlungen im Gesundheitswesen nicht zur Kenntnis, vermutlich verfügt er aber auch gar nicht darüber.
Anders als die meisten Gesundheitspolitiker:innen und eine wachsende Zahl von Gesundheitsökonom:innen glaubt Herr Raffelhüschen offenbar weiterhin an die Wunderwaffe Selbstbeteiligung zur Senkung der Gesundheitsausgaben. Nun gut, ein erster naiver Blick lässt denken, man könne Geld im GKV-System einsparen, wenn die Patient:innen einen Teil der Behandlungskosten aus der eigenen Tasche zahlen. Diese Rechnung geht aber nicht auf. Immer wieder und überall auf der Welt lässt sich zeigen, dass Zuzahlungen die Kosten eher in die Höhe zu treiben als zu senken. Kostenbedingt verzögerter und zu später Behandlungsbeginn, unzureichende Einnahme erforderlicher Medikamente oder manche Ausweichstrategien verursachen nämlich mehr Schaden als Nutzen.
Vor allem aber führen Selbstbeteiligungen zuverlässig dazu, dass vor allem einkommensschwächere Bürger:innen das Gesundheitswesen weniger und oftmals zu wenig in Anspruch nehmen. Diese Perspektive ist einem verbeamteten Hochschullehrer offenbar völlig fremd, der ja auch als privat Versicherter weder die alltäglichen Probleme der Versorgung von GKV-Patient:innen kennt noch eine Vorstellung davon zu haben scheint, was das Bezahlen der Arztrechnungen mit Kostenerstattung für die allzu vielen Geringverdiener:innen in diesem reichen Land bedeutet. Fazit: Setzen, sechs.
Der Autor ist Facharzt für Innere Medizin, gesundheitspolitischer Berater und hat eine Professur für Global Health an der Hochschule Fulda.