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Mehr Hilfe für Pflegende

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Von: Verena Bentele

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3,3 Millionen Menschen pflegen Angehörige. Ohne Entlastung bricht die Nächstenpflege zusammen.
3,3 Millionen Menschen pflegen Angehörige. Ohne Entlastung bricht die Nächstenpflege zusammen. © David Hecker/dpa (Archiv)

Eine Neuordnung der Pflegeleistungen muss unbürokratisch und transparent sein. Auch Nachbarn und Freunde müssen als Dienstleister in Frage kommen. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.

Was denkt, was fühlt eine Frau, deren Mann sie nach 50 Jahren Ehe nicht mehr erkennt? Was der Sohn, der seinem Vater die Windeln wechselt? Oder die Mutter, deren sterbenskrankes Kind sagt: „Ich will nicht mehr leben“? 3,3 Millionen Menschen kennen die Antwort. Sie wissen, wie anstrengend es körperlich und psychisch ist, ihre Nächsten zu Hause zu pflegen. Viel zu oft fühlen sie sich im Stich gelassen. Bürokratischer Wildwuchs und fehlende Entlastung erschweren ihnen das Leben.

Das ergab eine der größten Befragungen zur Pflege zu Hause, die der VdK in Auftrag gegeben hat und an der rund 56 000 Mitglieder teilnahmen. Bis zu 93 Prozent der Leistungen, auf die Pflegebedürftige einen Anspruch haben, werden nicht abgerufen: Einen zweistelligen Milliarden-Betrag sparen die Pflegekassen dadurch jährlich.

Das hat viele Gründe: Zum Beispiel, dass bislang entgangene Leistungen nicht angespart werden können, außer im begrenzten Umfang beim Entlastungsbetrag. Dabei spielt es keine Rolle, ob über den Anspruch richtig informiert wurde – was oft nicht der Fall ist; ob die Tagespflege keine Demenzpatienten aufnimmt, oder ob es in der Region keine Entlastungsangebote gibt – was oft der Fall ist.

Eine Neuordnung der Pflegeleistungen muss unbürokratisch und transparent sein. Auch Nachbarn und Freunde müssen als Dienstleister für Unterstützung im Haushalt oder beim Einkaufen in Frage kommen. Es muss ein Budget geben, in dem die unübersichtlichen Leistungen zusammengefasst werden. Davon können die Betroffenen dann die Hilfe bezahlen, die zu ihnen passt und vor Ort existiert. Sie müssen unabhängig und regelmäßig über die Leistungen beraten werden.

Viele Pflegende sind am Ende ihrer Kraft. Ihnen würden Angebote wie Tages- und Nachtpflege, Kurzzeit- oder Verhinderungspflege helfen, um mal durchzuatmen. Doch zu oft fehlt es an geeigneten Plätzen. Daher brauchen wir einen Rechtsanspruch auf einen Tagespflegeplatz – vergleichbar dem auf einen Kindergartenplatz.

Ohne Entlastung bricht die Nächstenpflege zusammen. Ausreichende Angebote gehören für mich zum Versorgungsauftrag des Staates. Sollte dies an den Finanzen scheitern, habe ich eine Idee: die Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung als wichtiger Schritt zu einer breiteren finanziellen Basis.

Die Autorin ist Präsidentin des Sozialverbands VDK Deutschland.

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