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Lohn für Ethik

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Von: Wolfgang Kessler

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2019 schreckte der damalige Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller Politik und Handel auf. Er forderte die Abschaffung der Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee.
2019 schreckte der damalige Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller Politik und Handel auf. Er forderte die Abschaffung der Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee. © Imago

Die Steuern auf faire und nachhaltige Produkte zu senken, ist eine gute Idee. Die Kolumne „Gastwirtschaft“. 

Erinnern wir uns: 2019 schreckte der damalige Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller Politik und Handel auf. Er forderte die Abschaffung der Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee. Seine Begründung: Dieser Schritt würde die Steuerzahler gerade mal 110 Millionen Euro im Jahr kosten. Aber dafür könnte er den Marktanteil von fair produzierten Kaffee von mageren sechs Prozent steigern, weil der nun billiger würde. Und dies wiederum, so Müller, bedeute mehr Gerechtigkeit für mehr Kaffeebauern. Das Ganze wurde diskutiert, letztlich aber ignoriert.

Dabei steckt hinter der Idee, Steuern gezielt für Waren abzuschaffen oder zu senken, die unter fairen und nachhaltigen Bedingungen produziert werden, ein genialer Gedanke: Nämlich Produzenten und Händler steuerlich zu entlasten, die mit ihrem Tun eine besonders gesellschaftliche Verantwortung übernehmen – und sich dies mit einem Siegel wie Fairtrade oder Bio bestätigen lassen.

Das wäre ausgleichende Gerechtigkeit. Denn: Wer unter fairen Arbeitsbedingungen produziert, ökologisch Nahrungsmittel anbaut oder Tiere artgerecht hält, hat höhere Kosten. Sie oder er muss deshalb deutlich höhere Preise verlangen als jene Konkurrenten, die so geringe Löhne wie möglich zahlen und auf die Umwelt kaum Rücksicht nehmen. Die Folge: Die Marktanteile von Fair-Trade-Produkten und Bio-Lebensmitteln liegen zumeist deutlich unter zehn Prozent.

Was liegt da näher als Gerd Müllers Idee aufzugreifen und sogar noch breiter anzulegen: Schaffen wir die Kaffeesteuer für den fair gehandelten Kaffee ab. Und nicht nur dies: Senken wir die Mehrwertsteuer für alle fair gehandelten Waren. Und schaffen wir sie für biologisch erzeugte Lebensmittel ganz ab – vorausgesetzt, die Produzenten lassen sich kontrollieren und ihre Waren zertifizieren. Bei niedrigeren Preisen könnten mehr Verbraucherinnen und Verbraucher fair gehandelte und biologisch erzeugte Lebensmitteln kaufen. Es wäre ein Anreiz für alle Produzenten, stärker als heute auf faire Herstellungsbedingungen und nachhaltige Anbaumethoden zu achten.

Der Weg wäre frei für einen Traum, den man in Krisenzeiten schon gar nicht mehr zu träumen wagt, der aber dennoch wichtig ist: Dass irgendwann alle Waren unter gerechten und nachhaltigen Bedingungen hergestellt werden.

Der Autor ist Wirtschaftspublizist. Er schrieb das Buch „Macht Wirtschaft! Ökonomie verstehen – und verändern.

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