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Im Kopf von AfD & Co: Über Antisemitismus und das Finanzsystem

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Von: Silke Ötsch

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Sprecher von AfD & Co wenden sich gegen Politiken, die auf Kontrollgewinn abzielen.
Sprecher von AfD & Co wenden sich gegen Politik, die auf Kontrollgewinn abzielt. © dpa

Das Gefühl, die Kontrolle über das Leben verloren zu haben, verstärkt den Glauben an Verschwörungen. AfD & Co verstärken das, indem sie eine größere Steuerung von Wirtschaft und Finanzfirmen torpedieren. Die Wirtschaftskolumne.

Wer das Finanzwesen kritisiert, sieht sich schnell dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt. Er kann missbraucht werden, um berechtigte Kritik zu diskreditieren. Andererseits breiten sich antisemitische Ideologien und Verschwörungstheorien aus: Banken, Flugzeuge, Medikamente und Klimaschutzmaßnahmen sollen Instrumente sein, die eine globale Finanzelite gegen das Volk einsetzt. Warum glauben Menschen so einen Unfug?

Seriöse globalisierungskritische Literatur macht schwerpunktmäßig Strukturen der neoliberalen Weltwirtschaft für Fehlentwicklungen verantwortlich, etwa Druck zur Vermehrung von Kapital, fehlende oder falsche Regulierung, neoliberale Organisationen und Regeln. Diese Ideen erreichen Verschwörungstheoretiker aber kaum. Sie sehen stattdessen eine heimlich agierende unmoralische Gruppe am Werk.

Die frühe Forschung kam zu dem Ergebnis, dass Verschwörungstheoretiker in ihrer individuellen Entwicklung behindert sind und eine pathologisch autoritäre Persönlichkeit ausgebildet haben. Verschwörungstheoretiker würden kognitive Fehlannahmen treffen und weniger analytisch denken, hieß es. Sie überschätzten beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Ereignisse eintreten und von Personen intendiert sind. Gleichzeitig unterschätzten sie den Zufall.

Verschwörungstheoretiker überwinden die Dissonanz

Aus heutiger Sicht sind soziale und ökonomische Faktoren für die Entstehung und Verbreitung von Verschwörungstheorien ebenso relevant. Menschen schließen sich sozialen Gruppen an, die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Welterklärung, Werten und Zugriff auf Ressourcen befriedigen. Wenn Ereignisse eintreten, die Handlungen oder Überzeugungen der Gruppe in Frage stellen, überwinden Verschwörungstheoretiker diese Dissonanz, indem sie die störenden Inhalte ablehnen.

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Gastwirtschaft: Unsere tägliche Kolumne von Gastautorinnen und Gastautoren im Wirtschaftsteil. Heute: Silke Ötsch,  wissenschaftliche Mitarbeiterin am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen.

Wenn eine Person oder Gruppe abgewertet wird – sei es wirtschaftlich oder kulturell – steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen sich machtlos fühlen und andere für die Situation verantwortlich machen. Das Gefühl, die Kontrolle über das Leben verloren zu haben, verstärkt den Glauben an Verschwörungen.

Sprecher von AfD & Co wenden sich gegen Politiken, die auf Kontrollgewinn abzielen. Sie torpedieren also eine stärkere Steuerung von Wirtschaft und Finanzfirmen. Dadurch verstärken sie die Faktoren, die Verschwörungstheorien begünstigen.

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