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Gastwirtschaft
Kein Teufelszeug, im Gegenteil
- vonDierk Hirschelschließen
Wir haben einen gigantischen Bedarf an Investitionen und können die auf Pump finanzieren. Solange die Wachstumsraten höher sind als der Zins, sinkt sogar die Schuldenquote.
In der Corona-Pandemie muss der Staat auf Pump leben. Rettungsschirme, Überbrückungshilfen, Konjunkturpakete, höhere Sozialleistungen und krisenbedingte Steuerausfälle erhöhen den öffentlichen Schuldenberg um mindestens 340 Milliarden Euro.
Ein Grund zur Panik ist das nicht. Berlin könnte problemlos mit höheren Schulden leben. Die Schuldenquote – der Anteil der Staatsschulden am Sozialprodukt – liegt bei international niedrigen 70 Prozent. Die Zinsen sind auf einem Rekordtief. Fast alle deutschen Staatsschulden sind negativ verzinst, da die Investoren in unsicheren Zeiten für sichere Wertpapiere Schlange stehen.
Wenn der Finanzminister sich 1000 Euro leiht, muss er nach zehn Jahren nur 900 Euro zurückzahlen. Letztes Jahr verdiente Olaf Scholz mit neuen Staatspapieren sieben Milliarden Euro. Und wenn die Leihfrist abläuft, wird der alte Kredit einfach durch einen neuen Kredit ersetzt. Kurzum: In den nächsten Jahren könnten wir bequem aus den Corona-Schulden herauswachsen. Zudem sind Schulden kein Teufelszeug. Im Gegenteil: Öffentliche Investitionen auf Pump stärken die Entwicklung. Für jeden investierten Euro steigt das Sozialprodukt um 1,3 bis 1,8 Euro. Solange die Wachstumsraten höher sind als der Zins, sinkt sogar die Schuldenquote.
Folglich spricht nichts dagegen, auch künftige Investitionen mit der Kreditkarte zu bezahlen. Schließlich haben wir einen gigantischen Investitionsbedarf. Allein der Investitionsstau der Städte und Gemeinden beläuft sich auf 147 Milliarden Euro. Berlin muss die äußerst günstigen Finanzierungsbedingungen nutzen, um jetzt in Klimaschutz, Gesundheit, Bildung, Digitalisierung, ÖPNV und Wohnen zu investieren.
Ein ökonomisch vernünftiger Umgang mit Staatsschulden scheitert jedoch an nationalen und europäischen Schuldenregeln. Die Schuldenbremse zwingt Bund und Länder dazu, die Corona-Kredite zeitnah zu tilgen. Diese Rückzahlungspflicht frisst den künftigen Verschuldungsspielraum auf. Zumal der Dispo der Schuldenbremse ohnehin viel zu klein ist.
Deswegen sollte die Schuldenbremse abgeschafft werden. Sie ist eine Zukunftsbremse. Wer jedoch eine minimalinvasive Reform bevorzugt, kann auch kreditfinanzierte Investitionen vom Schuldenregelwerk befreien. Ohne eine Reform kann nur eine Vermögensabgabe dafür sorgen, dass trotz Schuldendienst in die Zukunft unserer Kinder investiert wird.
Dierk Hirschel ist Chefökonom von Verdi. Zuletzt erschien von ihm Buch „Das Gift der Ungleichheit“.