Kampf gegen „Woke-Capitalism“

Erzkonservative Politiker ziehen in den USA gegen „Woke-Capitalism“ zu Feld. Sollte das auch nach Europa herüberschwappen, wäre das Ziel, privates Kapital für die Transformation der Wirtschaft zu mobilisieren, ernsthaft gefährdet. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Ist die nachhaltige Kapitalanlage politisch zu links? Diese Einschätzung haben jedenfalls konservative Vertreter der Republikanischen Partei in den USA, denen die Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaschutz, Menschen- und Arbeitsrechten sowie einer verantwortungsvollen Unternehmensführung, kurz ESG-Kriterien, bei der Kapitalanlage zu weit geht. Sie fordern ihre Wähler nicht nur dazu auf, nachhaltige Anlageprodukte zu meiden, sondern haben in zahlreichen Bundesstaaten Gesetze auf den Weg gebracht, mit denen Anbieter entsprechender Kapitalanlagen etwa bei staatlichen Aufträgen nicht mehr berücksichtigt werden, etwa wenn sie Kohle- und Gasunternehmen von der Kapitalanlage ausschließen. Es überrascht nicht, dass es sich hier um Bundesstaaten handelt, in denen die Kohle- und Gasförderung eine hohe Bedeutung hat.
Die Kritik an einem aus Sicht der erzkonservativen Politiker übertriebenen „Woke-Capitalism“ bezieht sich aber nicht nur auf den Ausschluss von fossilen Energien. Ihnen sind auch Banken und Vermögensverwalter ein Dorn im Auge, die bei der Kapitalanlage mit wachem Blick auf Aspekte wie Chancengleichheit und Diversity oder die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten schauen und Rüstungsunternehmen auf die Liste der aus ihrer Sicht nicht geeigneten Investments setzen.
Nun könnte man meinen, dass Anleger, die diesem Anti-Wokeness-Trend in den USA folgen, schon sehen werden, was sie davon haben. Immerhin ist die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei der Kapitalanlage nicht nur Ausdruck eines nachhaltigen Wertesystems, sondern eben auch ein wichtiger Teil des Risikomanagements der Vermögensverwalter. Wer als Anleger auf entsprechende Kriterien verzichtet, muss in der Konsequenz höhere Risiken in Kauf nehmen.
Bedenklich ist aber, dass sich erste, bislang vorrangig US-Vermögensverwalter und Investoren aus Sorge vor dem Verlust von Kunden beziehungsweise Angst vor beißender Kritik erzkonservativer Kreise aus der nachhaltigen Kapitalanlage zurückziehen.
Sollte diese Entwicklung nach Europa herüberschwappen, wäre das Ziel, privates Kapital für die Transformation der Wirtschaft zu mobilisieren, ernsthaft gefährdet. Daher kommt es mehr denn je darauf an, die doppelt positiven Wirkungen der Berücksichtigung von ESG-Kriterien auf Rendite und Risiko sowie für eine nachhaltige Entwicklung zu betonen.
Der Autor ist Geschäftsführer des Instituts für Nachhaltige Kapitalanlagen (NKI).