Hilfe durch Umverteilung

Im Kampf gegen Hunger ist die Politik gefragt. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Wir kleben Pflaster auf viele Wunden, doch es braucht strukturelle Lösungen.“ Die Klage, die Jochen Brühl, der Bundesvorsitzende der Tafel Deutschland, kürzlich vorbrachte, sollte zu denken geben. Der kritische Blick, den sie auf die Wohltätigkeit wirft, aber ist nicht neu. „Wer Gerechtigkeit zu fordern hat, dem sei mit den Almosen der Wohltätigkeit nicht gedient“, befand bereits vor über 100 Jahren Georg von Gizycki, einer der Gründungsväter des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen (DZI).
Kein Frage: Hilfsbereitschaft und Hilfe sind Ausdruck von Mitgefühl und grundlegend für menschliches Zusammenleben. Hungernden etwas zu essen geben, kann Leben retten, aber beseitigt noch nicht die Gründe, die Hunger immer wieder aufs Neue entstehen lassen. Dazu bedarf es mehr als Hilfe. Dazu ist politisches Handeln nötig.
Knapp 5000 Suppenküchen, Kleiderkammern und Sozialkaufhäuser soll es laut einer Forschungsgruppe der Universität Duisburg-Essen in Deutschland geben: Hilfsangebote, von denen die Existenzsicherung eines beschämend hohen Teils der Bevölkerung abhängt.
Doch wenn schon die Armut im reichen Deutschland so groß ist, wie gewaltig muss sie erst in der Welt sein? Wie groß muss eine weltweite Tafel ausfallen, um alle Hungernden über Lebensmittelspenden satt zu machen? So paradox es klingt: Die Welt leidet nicht an zu wenig Hilfe, sondern an Verhältnissen, die immer mehr Hilfe notwendig machen.
Denn es mangelt ja nicht an Ressourcen. Sie sind nur nicht da, wo sie gebraucht werden. Und der Trend zeigt in die falsche Richtung. Mit der Pandemie habe sich die Kluft zwischen den Reichsten und dem Rest der Menschheit dramatisch vergrößert, so die Entwicklungshilfsorganisation Oxfam. Auch in Deutschland hätten die zehn reichsten Personen ihr Vermögen in den Krisenjahren nahezu verdoppelt. Und schon heißt es, dass mit dem Krieg in der Ukraine weitere Einschnitte in „unseren“ Wohlstand drohen.
Dabei gibt es Möglichkeiten des Gegensteuerns. Naheliegend wäre zum Beispiel eine Übergewinnsteuer, die vor allem diejenigen belastet, die an den gegenwärtigen Krisen profitieren, sei es durch Online-Handel, E-Autos, Arzneimittel oder Waffenverkäufe. Ohne systematische Umverteilung wird Hilfe immer unzureichend sein.
Der Autor war viele Jahre lang Geschäftsführer von Medico international und lebt heute freischaffend in Frankfurt.