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Gastwirtschaft
Heldenhafte Unternehmer
Bis heute ist die Wirtschafts- und Finanzwelt von männlichen Eroberungsfantasien durchdrungen und treibt auf diese Weise die Ausbeutung von Natur, Lohn- und Reproduktionsarbeit voran. Die Gastwirtschaft.
Mit dem Begriff „Geist des Kapitalismus“ charakterisierte Max Weber Anfang des 20. Jahrhunderts die komplexen Motivationen der kapitalistischen Unternehmung, die die Entwicklung unseres Wirtschaftssystems ermöglichten. Die neoklassische Volkswirtschaftslehre hingegen modelliert die Firma schlicht als wertfreie Profitmaximiererin – und ignoriert dabei den Einfluss nicht-ökonomischer Faktoren, die für ein vollständiges Verständnis des Kapitalismus jedoch unentbehrlich sind.
So argumentierte Webers Zeitgenosse Werner Sombart, dass Unternehmer:innen nicht primär aus reiner Profitgier handeln, sondern vielmehr aus dem intrinsischen Wunsch, ihr Geschäft gedeihen zu lassen – und somit Ruhm und Ehre zu erlangen. Zu diesem Zweck gelte es, verschiedene Rollen einzunehmen: die des Erfinders ökonomischer Produktionsformen, des Entdeckers neuer Bedürfnisse, Produkte und Absatzmöglichkeiten, des Eroberers ganzer Märkte und des Organisators der betrieblichen Arbeitsteilung.
Nicht nur ist es leicht, zu dieser Charakterisierung passende Parallelen aus der heutigen Zeit zu finden, um nur einmal Stichworte wie Innovation und Rationalisierung, personalisierte Werbung, zunehmende Marktkonzentration durch Merger, algorithmenbasierte Arbeitsaufteilung zu nennen. Es wird auch deutlich, dass hier ein stark von archaischen Männlichkeitsidealen geprägtes Bild vom kapitalistischen Unternehmer gezeichnet wird: eine heldenhafte Figur, die in geradezu militärischer Pose den Wohlstand ins Land holt – vor allem natürlich in die eigene Familie, an die das Vermögen anschließend vererbt wird.
Dass Sombart ganz explizit ausschließt, dass es auch Unternehmerinnen geben könnte, ist kein Zufall – seine Beschreibung ruft ohnehin das Bild eines traditionellen Familienvaters mit Versorgerkomplex hervor.
Sombarts Perspektive mag sexistisch sein – offenbart damit aber auch die wichtige Tatsache, dass der „Geist des Kapitalismus“ eng mit patriarchalen Verhältnissen verwoben ist. Bis heute ist die Wirtschafts- und Finanzwelt von männlichen Eroberungsfantasien durchdrungen und treibt auf diese Weise die Ausbeutung von Natur, Lohn- und Reproduktionsarbeit voran. Eine Wirtschaftswissenschaft mit dem Anspruch, etwas zur Überwindung dieses Zustands beizutragen, darf solche Faktoren nicht unberücksichtigt lassen.
Jim Elmer ist Teil der studentischen Initiative „Was ist Ökonomie?“