Hartz-IV-Beiträge reichen nicht zum Überleben
Die Einmalzahlung für Bezieher von Grundsicherung wegen der hohen Inflation kommt zu spät und ist zu niedrig. Der Hartz-IV-Satz muss dringend erhöht werden.
Frankfurt - Einen erneuten Beweis dafür, dass der ärmste Teil der Bevölkerung nicht im Zentrum des politischen Interesses steht, liefert derzeit die Ampelregierung. Bei einer Inflation von 7,4 Prozent wird nicht einmal eine Diskussion über die Höhe der Grundsicherung geführt. Anstatt den Hartz-IV-Satz dementsprechend anzupassen, werden Grundsicherungsbezieher:innen auf eine Einmalzahlung von 200 Euro im Juli vertröstet, die deutlich zu niedrig ist und außerdem zu spät kommt. Denn Lebensmittel werden jetzt teurer und der Zeitpunkt der Jahresstromabrechnung richtet sich nicht danach, wann eine Einmalzahlung eingeht.
Die Anpassung des Hartz-IV-Satzes orientiert sich nach den gesetzlichen Bestimmungen zu 70 Prozent an der Teuerungsrate und zu 30 Prozent an der Lohnentwicklung. Gerechnet wird mit Daten aus dem Zeitraum zwischen dem 1. Juli des Vorvorjahres und dem 30. Juni des Vorjahres. So errechnete sich aus dem zwischen Juli 2020 und Juni 2021 gesunkenen Durchschnittslohn und der im gleichen Zeitraum leicht gestiegenen Inflationsrate, die just seit Juli 2021 immer stärker zulegt, ein Anstieg des Hartz-IV-Satzes von drei Euro zum 1. Januar 2022.
Hartz-IV-Erhöhung ab einer Inflation von zehn Prozent wäre zu spät
Es ist offensichtlich, dass der Anpassungsmechanismus, der bei einer in etwa gleichbleibenden Teuerungsrate hinnehmbar erscheint, bei einem starken Anstieg der Inflation untauglich ist. Dass der Gesetzgeber in einem solchen Fall handeln muss, hat ihm das Bundesverfassungsgericht 2014 ins Stammbuch geschrieben: „Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren“, urteilte das oberste deutsche Gericht.

Man kann nun natürlich aus der warmen Schreibstube die Ansicht in die Welt setzen, dass erst zehn oder zwölf Prozent Inflation als erheblich zu werten sind. Da der Hartz-IV-Satz jedoch extrem auf Kante genäht ist und für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums – das bereits 2010 vom Bundesverfassungsgericht zum Grundrecht erhoben wurde – schon vor den Preissprüngen der vergangenen Monate kaum ausreichte, ist eine sofortige deutliche Erhöhung unerlässlich. (Martin Staiger)
Der Autor ist Experte für Sozialrecht. Zuletzt erschien von ihm in der Reihe Informationsoffensive die 4. Auflage seines Hartz-IV-Ratgebers.