Verhandlungen im öffentlichen Dienst: Da ist mehr Geld drin
Verdis Lohnforderungen können bezahlt werden: Die Kolumne „Gastwirtschaft“
Frankfurt – Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst spitzt sich zu. In den letzten Wochen haben Pfleger, Erzieherinnen, Müllwerker und Busfahrerinnen immer wieder gestreikt. In der zweiten Verhandlungsrunde haben die öffentlichen Arbeitgeber ein erstes Angebot vorgelegt: Bund und Kommunen bieten ein tabellenwirksames fünfprozentiges Lohnplus für 27 Monate. Hinzu kommen zwei Einmalzahlungen, ein sogenanntes Inflationsausgleichsgeld, von insgesamt 2500 Euro. Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte das Angebot einen Ausdruck des Respekts für die 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.

Respekt heißt jetzt offensichtlich Lohnverzicht. Nach Prognose der Bundesregierung wird die Inflation im laufenden Jahr um voraussichtlich sechs Prozent steigen. Für 2024 wird ein Preisanstieg um drei Prozent erwartet. Folglich würde das tabellenwirksame Angebot der Arbeitgeber für die nächsten zwei Jahre einen Reallohnverlust von vier Prozent bedeuten. Die Einmalzahlung von 2500 Euro ändert daran nichts. Einmalzahlungen erhöhen die Einkommen nicht dauerhaft. Wenn sie am Jahresende wegfallen, purzeln aber nicht die Preise. Kein Wunder also, dass die Beschäftigten das Arbeitgeberangebot als Provokation auffassen.
Streiks: Das beste Rezept gegen steigende Lebenshaltungskosten sind Gehaltszuwächse
Kräftige tabellenwirksame Lohn- und Gehaltszuwächse sind das beste Rezept gegen steigende Lebenshaltungskosten. Der von Verdi geforderte Mindestbetrag von 500 Euro dient dazu, die größere Inflationslast kleiner Einkommen aufzufangen. Schließlich müssen Geringverdienende den Großteil ihres Einkommens für Nahrung, Haushaltsenergie und Mobilität ausgeben.
Der Autor ist Chefökonom der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
Bund und Kommunen können die gewerkschaftliche Lohnforderung in Höhe von 15 Milliarden Euro bezahlen. Aktuell sprudeln die Steuereinnahmen. Zudem ist der Verteilungsspielraum des Staates immer politisch gestaltbar. Höhere Löhne für Kindergärtnerinnen und Müllmänner könnten kurzfristig mit neuen Schulden bezahlt werden, das muss aber nicht sein. Dafür müssen lediglich hohe Einkommen und Vermögen stärker besteuert werden. Eine umverteilende Steuerpolitik ist in Anbetracht der ungleich verteilten Krisenlasten ohnehin überfällig. Wenn die Kassenwarte nicht schnell begreifen, dass es in diesem Verteilungskonflikt für viele Beschäftigte ums Ganze geht, dann droht der Republik schon bald ein harter Arbeitskampf. (Dierk Hirschel)