Europäischer Green Deal
Um die Wirtschaft für den grünen Wandel fit zu machen müssen politische Umweltstandards ausgehandelt werden. Die sollten vor allem gerecht gesetzt werden. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Die linke Strömung der US-Demokraten wollte einen Grünen New Deal anstoßen, der eine Million gut bezahlte grüne Stellen schafft, Infrastruktur ausbaut und intakte Umwelt und Ernährung für alle gewährleistet. Ein Stück radikaler Reformismus mit sozial-ökologischer Stoßrichtung. Runtergekocht finden sich im Inflation Reduction Act rund 370 Milliarden Dollar Subventionen, Steuergutschriften und Kredite für Projekte zur Senkung des Energieverbrauchs, bevorzugt für US-Produkte. Eine Mindeststeuer für Großunternehmen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung sollen hier gegenfinanzieren.
Ein europäisches Pendant ist der im Februar vorgestellte Green Deal Industrial Plan, der langfristig Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten und die Wirtschaft fit für den grünen und digitalen Wandel machen soll. Beihilfen in strategischen Bereichen und Planungsprozeduren sollen beschleunigt und vereinfacht werden, der Zugriff auf Rohstoffe abgesichert und Kreislaufwirtschaft, Aus- und Umbildung gefördert werden. Aus einem Souveränitätsfond sollen strategische Investitionen bezahlt werden – ein Stück grüner marktbasierter Reformismus.
Ein Positionspapier der FDP zum Inflation Reduction Act entdeckt nun die Entwicklungsländer, die über die WTO vor Subventionierung grüner Technologien geschützt werden sollen. Anstatt jedoch die Finanzierung ökologischer Projekte im Süden zu sichern, will die Partei den Standort über die Senkung der Körperschaftsteuer, sonstiger Vergünstigungen für Reiche und den Abbau von Maßnahmen zur Steuerhinterziehung attraktiv gestalten. Das soll ausgerechnet über die Erhöhungen der Mehrwertsteuer gegenfinanziert werden, was gerade Personen mit niedrigem Einkommen trifft.
Eine Befragung von über 40 000 Personen in 25 Ländern, die 72 Prozent der CO2-Emissionen verursachen, ergab jedoch: Für die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen ist deren Effektivität besonders wichtig. Außerdem spielt Gerechtigkeit gemessen an Auswirkungen auf Haushalte mit niedrigen Einkommen und die Folgen für den eigenen Haushalt eine Rolle. Damit wäre der FDP-Vorschlag durchgefallen. Aber auch wettbewerbszentrierte Grüne Deals werfen Fragen nach Gerechtigkeit auf. Umweltstandards nur als Standortfaktoren zu sehen ist, zu wenig.
Die Autorin ist Soziologin am Soziologischen Forschungsinstitut (Sofi) Göttingen und an der Universität Hamburg.