Eine Frage des Preises

Am Kunstmarkt haben Frauen noch immer nach Nachsehen, wenn es um die Bezahlung für ihre Werke geht. Das muss sich ändern. Die Kolumne „Gastwirtschaft“ von Ruth Polleit Riechert.
Als das legendäre Model Iman – spätere Ehefrau von David Bowie – in den 1970er Jahren in Kenia entdeckt wurde und nach New York kam, verlangte sie knallhart dieselbe Bezahlung wie ihre weißen Kolleginnen, was damals noch nicht selbstverständlich war.
Einige Jahre zuvor hatte bereits die Schauspielerin Elizabeth Taylor Geschichte geschrieben – und das nicht nur mit ihren Rollen: Sie wurde 1963 zur bestbezahlten Schauspielerin (auch vor den männlichen Schauspielern), weil sie für „Kleopatra“ eine Gage von einer Million US-Dollar sowie zehn Prozent von den Einspielergebnissen aushandelte.
Beide Frauen wurden zu Role Models für die nachfolgenden Generationen mit Langzeitwirkung.
Was haben diese Frauen mit bildenden Künstlerinnen zu tun? Tatsächlich gibt es am Kunstmarkt noch Nachholbedarf, was die Preise für Kunst von Frauen angeht. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur.
Sind bislang die männlichen Kollegen sowohl in Museen stärker vertreten als auch auf Auktionen höher bewertet, liegt das auch daran, dass es in der Vergangenheit weniger Frauen als Männer gab, die Kunst als Vollzeitberuf ausübten – noch seltener waren außergewöhnliche Karrieren wie die der amerikanischen Künstlerin Georgia O’Keeffe (1887-1986).
Doch all das wird sich vermutlich ändern: Gerade im Kunstmarkt haben Frauen heute exzellente Ausgangsbedingungen. Mehr als 50 Prozent der Kunststudierenden sind weiblich. Die Hauptausstellung der 59. Kunstbiennale in Venedig im vergangenen Jahr wurde zu etwa 80 Prozent von Frauen gestaltet. Auch das Kunstmuseum Wolfsburg machte mit seiner Ausstellung „Empowerment“ die Kunst von Frauen zum Thema. Warum also diese Zeitgeisttendenz nicht nutzen und höhere Preise aushandeln?
Denn auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen: Viele Sammler kaufen erst, wenn das Werk eines Künstlers eine bestimmte Preisgröße erreicht hat. Künstlerinnen sollten sich daher bereits am Anfang ihres Werdeganges an den Preisen ihrer männlichen Kollegen orientieren – mindestens.
Iman oder Liz Taylor haben in ihren Branchen Exempel statuiert, sie sind Aushängeschilder und Leuchttürme. Also: Nur Mut, Künstlerinnen, stellt euer Licht nicht unter den Scheffel!
Die Autorin ist promovierte Kunsthistorikerin und Kunstmarktexpertin.