Die mächtige Finanzlobby

Die Finanzindustrie verhindert durch kluge Interventionen zu viele wichtige Reformvorhaben.
Sie erinnern sich vielleicht noch an den Herbst 2008 mit der großen Bankenkrise. Plötzlich stand die Regulierung der Finanzbranche da, wo man sie sonst nicht findet: im Rampenlicht. In den folgenden Monaten ging es dank des öffentlichen Interesses um viele sinnvolle Dinge: Finanztransaktionssteuer, unabhängige Finanzberatung, deutlich mehr Kapital zur Sicherheit bei den Banken etc..
Doch all diese Projekte blieben trotz großer anfänglicher Ansprüche in der Planungsphase stecken oder sie wurden bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Denn kaum wandte sich die öffentliche Aufmerksamkeit wieder anderen Dingen zu, schlug die Stunde der Finanzlobbyisten.
In einer Studie hat Finanzwende ermittelt, dass die Finanzlobby in Deutschland auf mindestens 1500 Mitarbeiter kommt, bei einem Budget von über 200 Millionen Euro. Dieses Budget wird dafür ausgegeben, dass die Gesetze den Interessen der Finanzunternehmen dienen. Die gescheiterte Finanzmarktregulierung seit 2008 zeigt, dass dieses Engagement erfolgreich war.
Und so kommt es, dass im Zuge des Wirecard-Skandals nun Wehklagen darüber kommen, dass wir keine deutlich härteren Regeln für Wirtschaftsprüfer haben oder dass die Finanzaufsicht Bafin bei großen Finanzskandalen immer wieder zu spät kommt. Doch all diese Sachen wurden schon Jahre zuvor diskutiert. Wären sie eingeführt worden, wäre der Wirecard-Skandal wohl nie so groß geworden.
Und schon wieder berichtet Olaf Scholz, dass sich im Hintergrund „mächtige Lobbyisten“ gegen Veränderungen stemmen. Zur Reform bei den Wirtschaftsprüfern sagt der Finanzminister: „Wenn die erstmal verschwunden ist, die Öffentlichkeit, gibt es keine Reform mehr.“ Ein erschreckendes Eingeständnis eines Regierungsvertreters über seine begrenzte Macht gegenüber der Lobby.
Es braucht also nicht nur viel mehr Transparenz, damit für alle sichtbar wird, wer wie Einfluss nimmt. Sondern die Politik muss auch dafür sorgen, dass unterschiedliche Interessen gleichmäßig vertreten und gehört werden. Und als Bürgerinnen und Bürger sollten wir uns bemühen, dieser gefährlichen Schieflage entgegenzuwirken und uns wieder stärker einzumischen. Dieses Politikfeld ist zu wichtig, als dass wir es weitgehend der Finanzbranche überlassen.
Der Autor ist Vorstand der gemeinnützigen Bürgerbewegung Finanzwende e.V.