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Demokratie schützen

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Von: Thomas Gebauer

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Schon bei der ersten deutschen Nationalversammlung 1848 fanden sich Widersprüche zwischen liberalen und sozialistischen Ideen. Aber auch heute gilt noch: Liberalisierte Märkte regeln keine sozialen Missstände. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.

Der Kampf für soziale Gerechtigkeit, der heute so dringlich ist, reicht weit zurück. Schon die erste deutsche Nationalversammlung, die im Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammenkam, rang um diese Frage. Erstmals in der Geschichte Deutschlands sollten damals Menschen- und Bürgerrechte in einer Verfassung verankert werden.

Um seinen politischen Einfluss auszuweiten, verlangte das aufsteigende Wirtschaftsbürgertum zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die Liberalisierung der feudalen Gesellschaftsordnung. Die ärmeren Bevölkerungsschichten, deren Lage sich im Zuge der beginnenden Industrialisierung dramatisch verschlechterte, drangen zeitgleich auf radikale soziale Reformen.

Die Widersprüchlichkeit zwischen liberalen und sozialistischen Ideen spiegelte sich in den Debatten der Versammlung. Deren Mehrheit, zumeist Vertreter des Bürgertums und des Adels, wollte den Forderungen nach sozialen Rechten nicht folgen. Einem Recht auf Arbeit verweigerte sie die Zustimmung mit dem Hinweis, die vereinbarte Gewerbefreiheit würde es den Armen ermöglichen, sich selbst aus der Armut zu befreien.

Die Grundrechte von 1848, sind in der Folgezeit systematisch erweitert worden, auch um soziale Rechte. Aber das Ideal eines „unternehmerischen Selbst“, das für sich selbst verantwortlich ist, geistert noch immer durch die ökonomischen Lehrsätze. Selbst entwicklungspolitische Strategien sind nicht frei davon, wenn sie die grassierende Armut über die Förderung von Kleinunternehmern bekämpfen wollen.

Die Realität aber erzählt etwas anderes. So wichtig Eigenverantwortung ist, so wenig lassen sich mit ihr allein soziale Missstände bekämpfen. Der Blick in die Welt verdeutlicht, dass die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit nicht den Kräften liberalisierter Märkte überlassen bleiben darf. Und er zeigt auch, wie sich anti-demokratische Kräfte soziale Ausschlüsse zunutze machen, um die Demokratie als solche in Frage zu stellen.

Der Schutz demokratischer Freiheiten bedarf auch der materiellen Absicherung im Sozialen. Das Recht auf ein Leben in Würde wirkt nur dort, wo Gesellschaften die Bedingungen für ein würdevolles Leben schaffen. Der demokratische Aufbruch, der sich mit der Paulskirchenversammlung verbindet, ist längst nicht abgeschlossen.

Der Autor war viele Jahre lang Geschäftsführer von Medico international und lebt heute freischaffend in Frankfurt. Zuletzt ist von ihm erschienen: „Hilfe? Hilfe! – Wege aus der globalen Krise“ (mit Ilija Trojanow).

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