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Corona-Pandemie als Lehrstück ohne Lehre

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Von: Franz Knieps

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach zeigt keine Covid-Einsicht. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.

Selbst Hardcore-Vertreter der Null-Covid-Strategie können nicht mehr bezweifeln, dass die Pandemie zur Endemie geworden ist und es Zeit wird, einen (vorläufigen) Schlussstrich unter die autoritäre Corona-Politik zu ziehen. Wer allerdings geglaubt hatte, dass es jetzt um eine sachliche Aufarbeitung von Fehlern und Falschbehauptungen gehen würde, der wurde schnell eines Besseren belehrt.

Ganz vorne bei der Geschichtsverdrehung steht der aktuelle Bundesgesundheitsminister. Denn da, wo er ist, da ist für ihn ohnehin vorne. Schulschließungen – katastrophaler Fehler. Masken und Verweilverbote im Freien – Schwachsinn. Herbstwellen und Killervarianten – nicht darüber reden. Die Übernahme von politischer Verantwortung für offensichtliche Fehlentscheidungen – Fehlanzeige. Denn weder Minister Karl Lauterbach noch sein Vorgänger Jens Spahn hätten Fehler gemacht. Die Wissenschaft hätte sie unvollständig oder falsch beraten, und kritische Stimmen hätten halt lauter rufen müssen. Wer so eine Sicht auf die jüngste Geschichte hat, offenbart ein merkwürdiges Verständnis von Aufarbeitung und übt sich in Rechthaberei.

Wer hat denn Kitas und Kindergärten als Hotspots gebrandmarkt, Jugendliche als Gefährder bezeichnet und Ausgangssperren als nachgewiesen wirksam bezeichnet? Exakt der Mann, der sich als Wissenschaftler und Politiker in einer Person versteht und jetzt im obersten Gesundheitsamt angekommen ist. Er war Berater und Beratener in einer Person und interpretiert die Realitäten, bis sie in seine Erzählung passen.

Das erinnert an die Figur des Gottlieb Biedermann, der die Brandstifter in sein Haus einlud. Wer die Tatsachen einseitig interpretiert oder gar verdreht, dem wird man nicht verzeihen können oder wollen. Man wird den Verdacht nicht los, dass bei der nächsten Pandemie die Fehler wiederholt werden und zumindest Teile der Politik sich als lernunfähig erweisen. Lautet doch der Untertitel des Dramas „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch „Ein Lehrstück ohne Lehre“. Die Pandemie mit unerträglichen Grundrechtseingriffen und massiven Ressourcenverschwendungen darf so nicht enden. Es ist an der Zeit, Fehler und Verantwortliche zu benennen und Lehren zu ziehen, damit es künftig weniger Brandstiftungen in der Gesundheitspolitik gibt. Noch ist Zeit dazu.

Der Autor ist Vorstand des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen und ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit.

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