Blick über den Tellerrand

Am Sonntag treffen sich die Staats- und Regierungschefs. Ein Fokus des Treffens müssen die Entwicklungsländer sein. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Am Sonntag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 im bayerischen Elmau. Kaum ein G7-Gipfel war jemals so wichtig! Durch die Gründung der G20, die seit 2008 Industrie- und Schwellenländer an einen Tisch bringt, war die G7 eigentlich schon abgeschrieben. Jetzt droht die Kontroverse über die Teilnahme Russlands die G20 zu paralysieren. Gleichzeitig sind konkrete Maßnahmen gegen unmittelbare und langfristige Herausforderungen dringend nötig. Was kann, was muss der G7-Gipfel liefern?
Die G7 muss zuallererst vor der eigenen Haustür kehren, darf dabei aber den Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand nicht verlieren. Das Treffen der Klima- und Umweltminister brachte wichtige Beschlüsse, etwa die Verpflichtung, bis 2035 die Stromerzeugung zu dekarbonisieren. Auch die Einsicht, dass Klimaschutz nicht ausreicht, sondern ebenso die Biodiversitäts- und Verschmutzungskrise angegangen werden muss, ist richtig.
In Elmau soll ein Klimaclub vorangebracht werden, der den Klimaschutz der G7 noch einmal beschleunigt. Wichtig hierbei ist, dass der Club den multilateralen Klimaprozess unterstützt, nicht unterminiert. Und auch dessen Auswirkungen auf Entwicklungsländer müssen mitgedacht werden. Darüber hinaus sollten die G7 ihre Zusagen für internationale Klimafinanzierung einhalten und ihre Finanzregulierung so reformieren, dass mehr nachhaltige Investitionen getätigt werden.
Die G7 muss auch ihrer globalen Verantwortung gerecht werden. Die G7 unterstützen die Ukraine und haben eine Allianz für Nahrungsmittelsicherheit auf den Weg gebracht. Zu wenig Ambition ist aber bisher bei der Lösung der Schuldenkrise in vielen Entwicklungsländern zu erkennen. Deren fiskalischer Spielraum ist durch die Pandemie, die Folgen des russischen Angriffskriegs und die Zinspolitik der G7-Zentralbanken, stark eingeschränkt. Die G7 müssen private Gläubiger stärker in die Verantwortung nehmen. Zudem müssen Umschuldungsmaßnahmen stärker an klimapolitischen Maßnahmen der Schuldner ausgerichtet werden.
In Reaktion auf den Ukrainekrieg haben sich viele Entwicklungsländer als ‚non-aligned‘, also blockfrei, erklärt, auch weil sie sich von den G7-Ländern vergessen fühlen und ihnen eine Doppelmoral vorwerfen. Die G7 haben nun die Chance verlorenen Boden wieder gut zu machen.
Der Autor ist stellvertretender Direktor am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn.