1. Startseite
  2. Wirtschaft
  3. Gastwirtschaft

Auf der falschen Spur

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Marcel Schütz

Kommentare

Hier hat alles Struktur und Ordnung.
Hier hat alles Struktur und Ordnung. © Getty Images/iStockphoto

Viele Unternehmen setzen auf abergläubisches Lernen. Dagegen lässt sich etwas tun. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen“, hieß es so schön in der mysteriösen Kultserie „Twin Peaks“. Auch außerhalb der Fiktion ist die Welt voller Andeutung von Zweifel und Täuschung. Das, was sich nicht direkt erklären lässt, auf das macht man sich dennoch einen Reim – so ließe sich etwa der Ansatz des „abergläubischen Lernens“ (superstitious learning) zusammenfassen, das unter anderem auf die Sozialwissenschaftlerin Barbara Levitt und die Sozialwissenschaftler James G. March und Jerker Denrell zurückgeht.

Konkret wird unter abergläubischem Lernen eine organisatorische Anpassung verstanden, die erfolgt, wenn zum Beispiel Rückschlüsse aus vorangehenden Entscheidungen gewonnen werden, obwohl kein oder nur ein schwacher Beleg für die Verbindung von Entscheidung und Ergebnis vorliegt. In Organisationen reifen dadurch buchstäbliche „Scheinannahmen“, wobei der sinnstiftende „Schein“ nicht als solcher erfahren wird – dienen die gewählten Interpretationen doch gerade der Bewältigung von Unsicherheit.

So können Erwartungen an künftige Entscheidungen von vornherein in eine bestimmte Richtung entwickelt, ja verengt werden; zum Beispiel bei Trendanalysen. Die Ableitungen finden zuweilen so statt, als gäbe es keine möglichen Dritt- oder Schattenfaktoren. Bleibt gründlichere Prüfung der Rückschlüsse aus, kommt es zur Ausbildung von Mythen. Ironie: Der Versuch ihrer Aufklärung kann nun selbst als Entwicklung eines Mythos diskreditiert werden.

Forschung zeigt, dass sich gegen abergläubisches Lernen etwas tun lässt. Erstens: ein alternatives Experimentieren mit Maßnahmen, um Befunde zu prüfen. Zweitens: nicht zu viele kleine Maßnahmen auf einmal starten, denn in solchem Gewirr blickt keiner mehr durch, was Ursache und was Wirkung ist. Drittens: das Tempo der Entscheidungen begrenzen (zu dichter Takt an Maßnahmen bewirkt kollektives „Abstumpfen“).

Wenn viele es erst einmal gewohnt sind, auf der „falschen Spur“ zu fahren, erscheinen die wenigen, die es dem nicht gleichtun, als die eigentlichen Geisterfahrerinnen und Geisterfahrer. Ausweglos ist diese Entwicklung nie. Man darf sich nur nicht zu schnell zu sicher sein. Gelegentlich ist gar Eulen zu misstrauen.

Der Autor ist Professor für Organisation und Management an der Northern Business School Hamburg.

Auch interessant

Kommentare