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Gamestop: Wie eine Reddit-Gruppe die Wall Street herausfordert

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Von: Jakob Maurer

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Das Kräftemessen bei der Gamestop-Aktie geht weiter. Eine Gruppe aus dem sozialen Netzwerk Reddit bringt den Irrsinn in Gang.

Wer die Internetseite der Community besucht, die gerade ein nie dagewesenes Chaos am US-amerikanischen Börsenmarkt auslöst, fühlt sich auf ein digitales Schlachtfeld versetzt.

Im sozialen Netzwerk Reddit, wo der Irrsinn um den Gamestop-Aktienkurs seinen Anfang nahm, rufen die Mitglieder der riesigen und immer schneller wachsenden Gruppe „Wallstreetbets“ zum letzten Gefecht auf. Der Ton und die geteilten Bilder unter den knapp sechs Millionen Nutzer:innen (Stand 29.01.2021) werden dabei immer martialischer.

Die Reddit-Gruppe „Wallstreetbets“ bringt den US-amerikanischen Aktienmarkt ins Wanken.
Die Reddit-Gruppe „Wallstreetbets“ bringt den US-amerikanischen Aktienmarkt ins Wanken. © picture alliance / STRF/STAR MAX

Reddit-Gruppe „Wallstreetbets“ kämpft gegen Hedgefonds

„Entweder wir kämpfen oder wir sterben. Alles steht auf dem Spiel. Die Zukunft des Einzelhandels steht auf dem Spiel. Unsere Träume, Lamborghini-reich zu werden, stehen auf dem Spiel. Wir müssen gewinnen. Wir dürfen nicht aufgeben. Wir müssen weiter kaufen. Wir müssen kämpfen bis zum Ende“, schreibt sich jemand in Feldwebelmanier in Rage. 8500 Nutzerinnen und Nutzern gefällt das – wobei davon auszugehen ist, dass die Reddit-Nutzerschaft größtenteils männlich ist.

Die Seite der Gruppe ist voll mit Memes. Das sind Bilder und kurze Filmschnipsel, die mit Texten versehen sind und so eine neue, ironische Bedeutung bekommen. Sie zeigen Szenen aus Actionfilmen wie Matrix oder der Superheldenreihe Avengers. Der immergleiche Tenor: Die Heldenfigur, häufig markiert mit dem Kürzel „WSB“ für Wallstreetbets, widersteht der Übermacht der bis an die Zähne bewaffneten Bösewichte. Letztere verkörpern die Hedgefonds wie Melvin Capital, die es wagten, auf die Pleite des taumelnden Videospielhändlers Gamestop zu wetten.

Reddit-Gruppe „Wallstreetbets“ wurde 2012 von Jaime Rogozinski gegründet

Wallstreetbets beschreibt sich als „eine Community, um Geld zu verdienen und sich dabei zu amüsieren. Oder realistisch gesehen ein Ort, an dem Sie Memes liken können, wenn Ihr Portfolio am Boden ist.“ Jaime Rogozinski gründete die Gruppe 2012, vor einem Jahr stieg er aus. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN sagt der 39-Jährige jetzt: „Ich genieße das vom Spielfeldrand aus, es ist extrem interessant. Es wird definitiv zu einem Systemwandel führen.“

Ging es ursprünglich darum, Tipps für den Handel von Wertpapieren auszutauschen, ist aus Rogozinskis Gruppe in den vergangenen Tagen eine Horde wildgewordener Klassenkämpfer:innen geworden. Ihr Ziel: den Wallstreet-Heuschrecken das Geld für ihre Yachten aus den Taschen zu ziehen.

Menschen gehen in New York an einem GameStop-Laden in Midtown Manhattan vorbei.
Plötzlich ist Gamestop in aller Munde. © afp/Michael M. Santiago

In den satirischen bis nihilistischen Beiträgen feuern sie sich an, den Gamestop-Kurs weiter „bis auf den Mond“ zu treiben“, was sie „mooning“ nennen und mit einem Raketen-Emoji illustrieren. Es soll wortwörtlich um keinen Preis verkauft werden. Wichtigste metaphorische Waffe sind dabei die „Diamantenhände“, die gegen lukrative Gewinnmargen unverwundbar machen sollen und Neulingen so erklärt werden: „Du verkaufst nie. Deine Hände sind buchstäblich aus Diamanten gemacht.“ Das Gegenteil: Toilettenpapierhände.

Reddit-Gruppe „Wallstreetbets“ will die „Schweine zu Fall bringen“

Zum rauen Umgangston gehört auch politisch unkorrektes Vokabular: Scherzhaft nennen sich die Mitglieder der Reddit-Gruppe „retards“ oder „degenerates“, also geistig Zurückgebliebene oder Degenerierte. Das kollektive Festhalten an Aktienoptionen trotz irrsinniger Profitchancen und die fehlende Erfahrung des Einzelnen am Aktienmarkt soll so ironisch gebrochen werden. „Ich habe noch nie Aktien gehandelt“, kommentiert einer, doch nur das zählt: „Kann mir bitte jemand sagen, wie ich helfen kann, die fetten Schweine zu Fall zu bringen?“

Wie das letzte Gefecht der Kleinanleger:innen ausgeht, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. So schnell wird ihr Aufstand jedenfalls nicht vergessen werden. Rogozinski schrieb auf Twitter: „Offenbar hatte Occupy Wall Street den falschen Ansatz.“ (Jakob Maurer)

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