Ihr Freund, der Baum

Sitzblockaden, Pfeifkonzerte, Stellungskriege mit der Polizei - die Stuttgart-21-Gegner protestieren wieder: Sie versuchen die Umsetzung von Kastanien und Platanen zu verhindern.
Von Gabriele Renz
Solche Bilder werden sich noch häufig wiederholen. Wütende Demonstranten, die sich schützend vor Bäume werfen, weil die zur Realisierung des Bahnprojektes Stuttgart 21 weichen sollen. Schön sind die Bäume nicht, auch nicht besonders stattlich – 16 Kastanien und Platanen an einem Parkplatz vor dem Nordausgang des Hauptbahnhofs. Die meisten der Bäume, die umgepflanzt werden sollen, haben weniger als 150 Zentimeter Stammumfang. Doch auch sie sind Symbole.
Denn auf diesem Areal wurde der Nordflügel des Bahnhofs abgerissen, dort, am Bauzaun, sammelte sich der Widerstand gegen das mindestens sieben Milliarden Euro teure Schienenprojekt.
Ab dem frühen Dienstagmorgen lieferten sich Parkschützer eine Art Stellungskrieg mit der Polizei. Sie hatten den ersten „Alarm“ seit dem „schwarzen Donnerstag“ am 30. September 2010 ausgelöst. 500 bis 1000 kamen. Die Polizei rückte ebenfalls mit Hundertschaften an und löste Sitzblockaden auf.
Etwa 50 Demonstranten hätten versucht, die Zufahrt von vier Spezialmaschinen zu verhindern, teilte die Polizei mit. Nachdem die Polizei mehrere Blockaden aufgelöst hatte, wurden die ersten der 16 Bäume zur Verpflanzung ausgegraben.
Sieben weitere Nachtschichten nötig
Ein langwieriges Unterfangen. Unter lautem Pfeifkonzert schnitten Gärtner die Baumkronen auf Transportumfang. „Man hört die Wurzeln knacken“, twitterte ein Augenzeuge. 200.000 Euro lässt sich die Bahn die Versetzung der 16 Bäume kosten. Es war ein Nebenergebnis von Heiner Geißlers Schlichtung, dass auch Bäume umgesetzt statt gefällt werden. Die Kastanien und Platanen müssen einem unterirdischen Technikgebäude weichen. Sieben weitere Nachtschichten sind nötig, in etwa einer Woche sollen die Baumverpflanzungen abgeschlossen sein.
„Die Parkschützer lehnen die Baumversetzungen grundsätzlich ab, weil sie das Prestigeprojekt Stuttgart 21 grundsätzlich ablehnen“, sagte Matthias von Herrmann. Man mache keinen Unterschied zwischen Park- und Parkplatzbäumen. Seine Aussage, die Polizei habe Schlagstöcke zur Räumung eingesetzt, musste er zurücknehmen. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, kommentierte Gangolf Stocker, Sprecher der „Initiative Leben in Stuttgart – Kein Stuttgart 21“. Die Bahn schaffe mit dem Geld des Steuerzahlers Fakten, statt den Stresstest abzuwarten, der eine Leistungssteigerung des geplanten Bahnhofs belegen soll.
Grünen bleiben auf der Seite der Parkschützer
Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) gab sich am Dienstag „erleichtert“ darüber, dass der Polizeieinsatz friedlich abgelaufen sei. Die Situation sei „nicht im Entferntesten vergleichbar“ mit der Lage im Schlossgarten im Sommer 2010. Die Grünen bleiben auf der Seite der Parkschützer: „Der Baumumzug ist nicht akzeptabel. Bahn und Landesregierung müssen einlenken und alle Bauarbeiten für Stuttgart 21 bis zum Abschluss des Stresstests stoppen“, meinte Landeschef Chris Kühn.