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Wie das Handwerk Frauen gewinnen kann

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Von: Anna Laura Müller

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Immer mehr Frauen werden Tischlerinnen. Trotzdem fehlt Nachwuchs im Handwerk.
Immer mehr Frauen werden Tischlerinnen. Trotzdem fehlt Nachwuchs im Handwerk. © Imago

Ein Verein macht es vor: Wie Frauen für das Handwerk begeistert werden können.

Der Bedarf an Fachkräften in handwerklichen Berufen ist immens hoch. Seit 2015 gibt es laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) sogar mehr offene Stellen als arbeitslose Handwerker:innen. Das bedeutet also: Selbst wenn alle Arbeitssuchenden im Handwerk vermittelbar wären, gäbe es immer noch weiteren Bedarf an Fachkräften. Zeitgleich scheint das Berufsfeld für Frauen im Verhältnis weniger attraktiv zu sein. Zumindest sagen das die Zahlen. Derzeit sind ein Drittel der insgesamt 5,6 Millionen Beschäftigten im Handwerk weiblich. Der Zentralverband des Deutschen Handwerk (ZDH) sieht hier trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren noch „Luft nach oben“.

Etliche Projekte und Initiativen sollen bereits vor allem Mädchen in der Schule und junge Frauen vor der Berufswahl für das Handwerk begeistern. Der Girl’s Day ist dabei vielen bekannt: Eine Art Tag der offenen Tür, bei dem Schülerinnen einen Einblick in technische und naturwissenschaftliche Berufe bekommen sollen. „Es braucht mehr als nur die gezielte Ansprache der Betriebe, die sagen: Wir bilden jetzt auch Frauen aus“, ist Anna Menzel aber überzeugt. Sie ist eines von vier Teammitgliedern im Verein Holzkraftwerk, der im Fichtelgebirge sitzt.

Der Verein bietet Kurse zur Holzbearbeitung an, die Menschen ansprechen sollen, die bisher keinen guten Zugang zum Handwerk bekommen. Im Fichtelgebirge kann man mit und ohne Vorerfahrung mit der Kettensäge schnitzen und sich an Handkreissäge, Akkuschrauber und Hobel ausprobieren. Alles mit dem Ziel, das Interesse und den Spaß am Handwerk zu fördern.

„Wir möchten das Spektrum derer, die normalerweise bei solchen Kursen angesprochen werden, erweitern und Zugang zum Handwerk schaffen“ so Menzel. Der Verein spricht besonders FLINTA-Personen an, also Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, non-binäre Personen und trans und agender Menschen. Menzel selbst ist auf der Hobby-Ebene zum Handwerk gekommen und ist vor allem am „demokratisch-emanzipatorischen“ Auftrag des Vereins interessiert.

Und dennoch ist es wichtig, sagt sie, dass die Horizonteröffnung durch die Sache passiere. Es gehe eben nicht nur darum, Dinge zu tun, die gesellschaftlich als männlich wahrgenommen werden, wie beispielsweise der Umgang mit Maschinen wie einer Kettensäge. Vielmehr wollen sie echte Lernräume schaffen. „Wir möchten auch das Image des Ganzen ändern“, betont sie.

Hanna Heuft, auch Teammitglied im Verein, hat durch selbstorganisierte Lernbaustellen den Weg in das Handwerk gefunden. Jetzt ist Heuft im Lehmbau tätig und überzeugt, dass es diese Räume unbedingt braucht. Denn unangenehme Situationen direkt beim ersten Kontakt mit dem Handwerk würden häufig dazu führen, dass sich Personen nicht mehr trauen, weiter auszuprobieren. „Es ist aber auch später relevant bei der Suche nach Ausbildungsplätzen. Da gibt es dann Menschen, die explizit Betriebe suchen, in denen eine FLINTA-Person in der Leitung oder unter den Kolleg:innen ist“, so Heuft. Leider gebe es aber noch nicht vieler solcher Betriebe.

Der Nachwuchsmangel wird sich nicht alleine dadurch lösen lassen, Lernräume zu schaffen. Es geht laut ZDH auch darum, „junge Mädchen zu ermutigen, ihre Berufswahl jenseits starrer Rollenmuster zu treffen“. Es tue sich etwas in Sachen klischeefreier Berufswahl: So ist der Anteil weiblicher Azubis in den letzten Jahren besonders stark im Ausbaugewerbe gestiegen. Vor allem bei Tischlerinnen, Elektronikerinnen und Anlagenmechanikerinnen gab es einen Zuwachs. Aber auch mehr Azubis, die sich für den Beruf der Dachdeckerin und Zimmerin entschieden, waren laut ZDH zwischen 2019 und 2021 zu verzeichnen. Handwerkerinnen sichtbarer machen, ist für den ZDH eine wichtige Strategie, um mehr Nachwuchs für das breite Berufsfeld zu gewinnen.

Das ist auch ein Ziel des Vereins Holzkraftwerk. „Wir wollen hier eine Sichtbarkeit im kleinen schaffen und hoffen dann auf einen Schneeballeffekt“, so Menzel. Die Teilnehmenden der Kurse sollen das Erlernte mit in die Höfe und Werkstätten tragen und dort als Vorbilder fungieren können. Und das gelte nicht nur für den Nachwuchs, sondern für Menschen jeden Alters. Ob jemand nur zum Spaß den Umgang mit Säge und Hobel lernen möchte oder sich professionell um- oder weiterbildet, ist dabei zweitrangig. Es gehe um niedrigschwellige Zugänge. Anna Menzel ist überzeugt: „Der Spaß am Handwerk kann ja gar nicht entdeckt werden, wenn man das Gerät, das man dazu braucht, nie in der Hand hatte.“

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