Vier-Tage-Job fürs Klima

Vier-Tage-Woche: Auch Gewerkschaften sehen kürzere Arbeitszeiten als einen zentralen Schritt für einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft.
Über die Arbeitszeit wird schon lange gestritten: Acht Stunden arbeiten, acht Stunden Freizeit, acht Stunden schlafen – diese Forderung des walisischen Unternehmers Robert Owen wurde im 19. Jahrhundert zum Slogan der internationalen Arbeiterbewegung. Nach einem knapp 50-jährigen Kampf wurde der Acht-Stunden-Tag hierzulande dann am 1. Januar 1919 eingeführt. Grundlage dafür war ein Kompromiss zwischen den wichtigsten Gewerkschaften und den Arbeitgebern, die im revolutionären Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkrieges um ihr Eigentum bangten.
Nun, mehr als 100 Jahre später, wird medial zwar viel über die Vier-Tage-Woche gesprochen, in Tarifverhandlungen spielt sie derzeit aber praktisch keine Rolle: Schließlich erlaubt eine Vier-Tage-Woche nur eine maximale Arbeitszeit von 32 Stunden pro Woche, da laut Arbeitszeitgesetz pro Tag auf Dauer nicht mehr als acht Stunden gearbeitet werden darf. Und von 32 Stunden pro Woche sei man noch weit von entfernt, sagt Norbert Reuter, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei Verdi. Wegen der hohen Inflation gehe es zur Zeit vor allem um eines: Reallohnsicherung.
Vier-Tage-Woche: Weniger arbeiten für Klima?
Dabei könnte die Vier-Tage-Woche auch vor dem Hintergrund der Klima-Krise eine wichtige Rolle spielen: Die Arbeitszeitverkürzung ist „ein zentraler Baustein eines sozial-ökologischen Umbaus“, schreibt etwa das Konzeptwerk Neue Ökonomie, das eine kollektive Arbeitszeitverkürzung auf 28 Stunden in einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich vorschlägt. So sollen nicht nur Zeit, Sorgearbeit und Einkommen umverteilt, sondern auch Emissionsausstoß und Ressourcenverbrauch reduziert werden.
Dass die Arbeitszeit einen Effekt auf Emissionen haben kann, ist lange bekannt. Schon 2006 überschrieben zwei Wissenschaftler des Center for Economic and Policy Research in Washington eine Studie mit der Frage: „Sind kürzere Arbeitszeiten gut für die Umwelt?“. Die Antwort der beiden Ökonomen war eine Empfehlung an die US-amerikanische Wirtschaft, die Arbeitszeit ihrer US-Beschäftigten zu reduzieren und an die Arbeitszeit der Menschen in Europa anzugleichen, was rund 20 Prozent der Energiekosten reduziert hätte. Passiert ist das nicht.
Geringe Chancen für echte Arbeitszeitverkürzung
Auch Verdi bemühe sich, ökologische Fragen mitzudenken, sagt Norbert Reuter. Die Dienstleistungsgewerkschaft wirbt schon lange für eine „Kurze Vollzeit“ mit 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Damit könnten durchaus auch Emissionen eingespart werden, sagt Reuter, etwa durch wegfallende Fahrten ins Büro. Große Chancen räumt er einer Arbeitszeitverkürzung derzeit aber nicht ein: „Der Widerstand der Arbeitgeber wird mit Blick auf den Personalmangel sogar größer.“
Das beobachtet auch Johanna Wenckebach. Sie ist wissenschaftliche Direktorin des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung. In der Debatte über die Vier-Tage-Woche gehe unter, dass im Hintergrund um die Arbeitszeiterfassung gerungen werde, sagt Wenckebach. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte angekündigt, die Zeiterfassung im Frühjahr neu zu regeln. Werde die Arbeitszeiterfassung durch Kompromisse geschwächt, warnt Wenckebach, laufe das der Idee einer Vier-Tage-Woche entgegen: „Die Arbeitgeber wollen Zugriff auf die Beschäftigten haben; weniger und kürzer arbeiten wird schwieriger, wenn gar nicht erfasst wird, wer wie lange arbeitet.“
Eine Arbeitszeitverkürzung hält Wenckebach für sinnvoll – nicht nur mit Blick auf die Verteilung von Care-Arbeit, sondern auch mit Blick auf ökologische Effekte, „etwa bei Arbeitswegen“. Beim Umbau klimaschädlicher Branchen sei sie zudem ein Instrument, um Arbeitslosigkeit zu verhindern und Menschen eine Weiterbildung zu ermöglichen.
Vier-Tage-Woche bei der IG Metall
In der Metall- und Elektroindustrie gibt es dieses Instrument bereits: „2021 hat die IG Metall die Vier-Tage-Woche für Unternehmen im sozial-ökologischen Wandel als Option tariflich durchgesetzt – zur Sicherung von Arbeitsplätzen und mit einem Teilentgeltausgleich für die Beschäftigten“, sagt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. Der Gewerkschaft geht es dabei vor allem um Unternehmen, die ihr Geschäft mit dem Verbrennungsmotor machen.
Hofmann warnt aber auch, die Vier-Tage-Woche dürfe bei der Beschäftigungssicherung keine „Mogelpackung“ sein: Die Beschäftigten brauchten einen Entgeltausgleich und weiter den Acht-Stunden-Tag. „Unternehmen können sich das leisten“, ist Hofmann überzeugt: „Sie sparen Kosten für Restrukturierung sowie Rekrutierung und profitieren von einer noch weiter steigenden Produktivität.“
IG Metall: „Bock auf gute Arbeit“
Aber auch darüber hinaus wirbt Hofmann für eine echte Arbeitszeitverkürzung: „Die Beschäftigten haben Bock auf gute Arbeit: also gesunde, ökologische und sichere Arbeitsplätze mit besseren Arbeitszeiten. Die Vier-Tage-Woche ist hier eine überzeugende Antwort“, sagt der Gewerkschafter. Sie sei ein Beitrag für gesellschaftlichen und gesundheitlichen Fortschritt und hole Menschen aus der Teilzeitfalle. Zugleich entlaste ein Tag weniger Pendelei Umwelt und Menschen.
Für die meisten Beschäftigten in Deutschland ist eine echte Vier-Tage-Woche allerdings noch Wunschdenken: Wer weniger als die üblichen 40 Stunden pro Woche arbeiten will, muss das in der Regel individuell mit dem Chef oder der Chefin verhandeln. Das Ergebnis: Teilzeit und ein entsprechendes Minus auf dem Gehaltszettel.