IG Metall sucht Chef:in

Die Gewerkschaft IG Metall könnte künftig auf eine Doppelspitze setzen.
Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall, hatte eigentlich über das zurückliegende Jahr sprechen wollen, über die Folgen von Krieg, Inflation und Energiekrise, auch über die „grandiose Aufholjagd“ beim Werben um neue Mitglieder und die anstehenden Tarifrunden. Eine Frage aber überlagerte den Rück- und Ausblick Hofmanns auf der Jahrespressekonferenz der IG Metall am Donnerstag in Frankfurt: Wer rückt an die Spitze der Gewerkschaft, wenn die Amtszeit des 67 Jahre alten Hofmann im Oktober endet?
Um eine Antwort ringt die Gewerkschaft seit Monaten. „Die Personalfrage ist die beliebteste aller Fragen“, sagte Hofmann am Donnerstag und kündigte an, noch vor der Sommerpause einen Personalvorschlag präsentieren zu wollen. Klar ist nur: Hofmann macht es nicht mehr.
Eine Kandidatin für seine Nachfolge saß neben Hofmann auf dem Podium: Christiane Benner, 54 Jahre alt, seit 2015 Zweite Vorsitzende und erste Frau überhaupt im Führungsteam der Gewerkschaft. Ihr Kontrahent im Rennen um den Topjob fehlte hingegen: Roman Zitzelsberger. Der 56-Jährige leitet den Bezirk Baden-Württemberg, wo er zuletzt den Pilotabschluss in der Metall- und Elektroindustrie verhandelte.
IG Metall: Wer folgt auf Jörg Hofmann?
Aber es geht nicht nur um das Wer, sondern auch um das Wie: Laut Medienberichten ist eine Doppelspitze durchaus wahrscheinlich. Benner und Zitzelsberger wären dann ein Team. Dafür müsste allerdings die Satzung geändert werden, die derzeit noch einen Ersten Vorsitzenden und eine Zweite Vorsitzende vorsieht. Auch darüber wird im Hintergrund gesprochen, wie Hofmann andeutete: Man sei im Diskurs, „wie wir die Satzung an einer Stelle präzisieren“. Diese Veränderung wäre Teil eines grundlegenderen Wandels, den Hofmann seiner Gewerkschaft schon 2019 verordnet hat: Die IG Metall soll „näher an die Betriebe“, die Spitze soll ausgedünnt, die Basis verstärkt werden. So könnte die Zahl der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands von sieben auf fünf reduziert werden. „Wenn sich die Welt um uns herum verändert, braucht es auch Änderungen bei der IG Metall“, sagte Hofmann. Ob es so kommt, ist noch offen. Bis März will Hofmann ein „Meinungsbild“ einholen.
Mit Blick auf das zurückliegende Jahr zeichnete Hofmann ein durchaus positives Bild: Rund 117 000 neue Mitglieder seien „ein schöner Erfolg“; der Zulauf sei so groß gewesen wie seit 2018 nicht mehr. Im zweiten Halbjahr, in das auch die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie gefallen waren, habe es eine „grandiose Aufholjagd“ gegeben, so dass im Vergleich zum Vorjahr bei der Mitgliederzahl nur ein Minus von einem Prozent stehe.
IG Metall mit weniger Mitgliedern, aber mehr Geld in der Kasse
Insgesamt sinkt die Zahl der Mitglieder auf 2,147 Millionen. Vor allem bei den Angestellten habe es aber einen „Sprung nach vorne“ gegeben, sagte Benner.
Lesen Sie auch: Warum die Doppelspitze bei der IG Metall eine gute Idee wäre
Bei den Einnahmen stand unter dem Strich ein kleines Plus: 596 Millionen Euro nahm die IG Metall 2022 ein, knapp vier Millionen Euro mehr als im Vorjahr. „Wir sind voll handlungsfähig“, bilanzierte Hauptkassierer Jürgen Kerner. Rund 89 Millionen Euro seien in die Rücklagen geflossen. Deshalb werde „keine politische Aktion, kein Streik am Geld scheitern“, so Kerner.
IG Metall: Bundesregierung muss auf das Tempo drücken
Gemeinsam forderten Hofmann, Benner und Kerner die Bundesregierung und Unternehmen auf, mehr Tempo bei der sozial-ökologischen Transformation zu machen. Die gelinge aber „nur mit den Beschäftigten, nicht gegen sie“, sagte Hofmann. Dazu seien mehr Beteiligung, mehr Mitbestimmung und mehr Tarifbindung nötig. „Wir brauchen einen echten Wumms beim Wandel, kein zögerliches Handeln nach Kassenlage“, so Hofmann.
Vor einem Wandel steht auch die Gewerkschaft selbst: Vom 22. bis zum 26. Oktober werden sich die Mitglieder treffen, um über die neue Spitze – und möglicherweise eine Satzungsänderung – abzustimmen. Benner wäre bei einer Wahl die erste Frau an der Spitze der Gewerkschaft, die zu knapp 80 Prozent aus Männern besteht. Intern halten manche der Soziologin mangelnde Erfahrung beim Abschluss großer Tarifverträge vor. Benner vermied es am Donnerstag, ihre Ambitionen allzu deutlich zum Ausdruck zu bringen. Es gehe zuerst um die IG Metall, dann um die Personen, sagte sie. Erst nach einigen Nachfragen stellte sie aber klar: „Natürlich bin ich bereit, Führungsverantwortung zu übernehmen“. Das mache sie schließlich schon seit ihrer Wahl in den geschäftsführenden Vorstand 2011.