Homeoffice als Arbeitsmodell – eine Chance, die man gestalten muss
In den letzten Jahren hat sich das Homeoffice auf vielen Arbeitsplätzen etabliert. Doch die Arbeit von zu Hause sollte für alle Beteiligten Vorteile haben.
Frankfurt – Vor bald drei Jahren musste es schnell gehen: Coronavirus, Maskenpflicht, Lockdowns. Wer konnte, wechselte ins Homeoffice. Dort ging es oft provisorisch zu: Akten auf dem Küchentisch und Online-Konferenzen im Schlafzimmer, während die Kinder quengeln und bespaßt werden wollen. Nicht immer war es schön, aber irgendwie hat’s meistens geklappt. Arbeit im Ausnahmezustand.
Nun füllen sich die Büros wieder. Klar ist aber: Das es bleibt. Innerhalb weniger Jahre hat sich ein drastischer Wandel vollzogen, der sich nicht mehr rückgängig machen lässt. War die Arbeit von zu Hause vor der Pandemie nur wenigen privilegierten Menschen vorbehalten, wechseln viele Beschäftigte heute wie selbstverständlich zwischen Büro und Homeoffice. Die Entwicklung ist damit aber noch nicht vorbei. Jetzt geht es darum, die neue Normalität zu gestalten.
Homeoffice stellt Führungskräfte vor Herausforderungen – niemand will Vorteile aufgeben
Zwar sind die allermeisten Beschäftigten inzwischen gut ausgerüstet, und müssen – anders als es zu Beginn der Pandemie teilweise der Fall war – nicht mehr das eigene Handy und den eigenen Laptop im Homeoffice nutzen. Die Kultur und Mentalität in den Unternehmen hinkt der technischen Realität aber oft noch hinterher. Das liegt auch an den Chefinnen und Chefs, von denen manche ihre Leute gerne ins Büro zurückholen würden. Sie sorgen sich um die Produktivität und den Zusammenhalt ihrer Teams, einigen geht es sicherlich auch um Kontrolle. Das ist verständlich – verständlich ist aber auch, dass die Beschäftigten die Vorteile, die das Homeoffice bringt, nicht mehr aufgeben wollen.

Deshalb sind die Führungskräfte jetzt in der Pflicht, und zwar dreifach: Sie müssen die Autonomie ihrer Belegschaft stärken. Sie müssen die Beziehungen zu den Beschäftigten pflegen. Und sie müssen dafür sorgen, dass ihre Leute kompetent und effektiv im Homeoffice arbeiten können. Wichtig dafür sind Kommunikation und Vertrauen: Die Vorgesetzten müssen aufpassen, dass niemand im Homeoffice verloren geht; dürfen aber auch nicht als Kontrollfreaks wahrgenommen werden. Sinnvoll ist es, feste Zeiten zu bestimmen, zu denen alle Teammitglieder ins Büro kommen. Das stärkt den sozialen Zusammenhalt und schafft zugleich Raum für kreative Prozesse, die im Homeoffice oft zu kurz kommen.
Das Homeoffice kennt keinen Unterschied zwischen Arbeits- und Privatleben
Grundsätzlich sehen viele Beschäftigte und Unternehmen das Homeoffice positiv, wie Studien etwa der Universität Leipzig zeigen. Es kann aber auch neue Probleme schaffen, indem es Einsamkeit und soziale Isolation verstärkt. Was macht das mit uns, wenn wir die eigenen vier Wände selbst für die Arbeit nicht mehr verlassen? Wenn das Büro als Ort der Begegnung und des Miteinander-Sprechens an Bedeutung verliert?
Und: Das Büro ist auch ein Ort, den man verlassen kann; mit einer Tür, die schließt. Für das mobile Büro im eigenen Schlafzimmer gilt das nicht: Der Laptop läuft, Mails und Teams-Nachrichten ploppen rund um die Uhr auf dem Handy auf. Die Folge: Die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben verwischt; der Feierabend verliert an Bedeutung; Dauerstress – das Homeoffice wird zu einer Belastung für die psychische Gesundheit.
Man sollte aber nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten
Ein Arbeitspsychologe empfiehlt nicht jeden Tag im Homeoffice zu verbringen, sondern auch regelmäßig in Präsenz zu arbeiten.
Homeoffice ist eine Chance, man muss aber Grenzen ziehen können
Die Beschäftigten müssen also Grenzen ziehen, Vorgesetzte diese Grenzen respektieren – und die Gewerkschaften und der Gesetzgeber sind gefordert zu verhindern, dass die Arbeit ausufert und weiter ins Private hineinwächst. Das Homeoffice darf nicht zum Instrument all jener werden, die gesetzliche Grenzen von Arbeitszeit aufgelöst sehen wollen. Ohnehin ist es kein Wundermittel, nicht die Lösung aller Probleme. Freiheit bei der Wahl des Arbeitsorts hilft nicht, wenn die eigene Tätigkeit als sinnentleert empfunden wird, wenn es dem Chef an Führungsskills fehlt oder die Bezahlung schlecht ist. Das gilt auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Homeoffice kann eine gute Kinderbetreuung und familienfreundliche Arbeitszeiten nicht ersetzen.
Aber es ist eine Chance. Vom Homeoffice ausgehend sollten wir weiter über unsere Arbeitswelt nachdenken: Wie versöhnen wir die Arbeit mit dem Klimaschutz, wie füllen wir sie wieder stärker mit Sinn? Wie gestalten wir den Arbeitsmarkt fairer zum Beispiel für Menschen mit Behinderungen, und wie stärken wir die Rolle der Frauen auf dem Arbeitsmarkt? Dass sich auch in kurzer Zeit viel verändern lässt, wenn der Wille da und der Druck groß genug ist, haben die vergangenen drei Jahre schließlich gezeigt. (Steffen Herrmann)