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FRAX: Arbeitsmarkt trotzt Inflation

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Von: Steffen Herrmann

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Der Weg zur Arbeitsagentur soll gemäß den Plänen der Ampel-Regierung künftig für mehr Menschen zu langfristigen Beschäftigungen führen.
Massenarbeitslosigkeit ist derzeit kein Problem. © Ralph Peters/Imago

FR-Arbeitsmarktindex FRAX legt im dritten Quartal zu, weil der Anteil der Langzeitarbeitslosen sinkt.

Auch unter dem Eindruck einer Rekordinflation ist der deutsche Arbeitsmarkt stabil. Im dritten Quartal 2022 legte der FR-Arbeitsmarktindex sogar leicht zu und stieg auf 108,6 Punkte. Das ist ein Plus von 0,1 Punkten im Vergleich zum Vorjahresquartal, wie die jüngste Aktualisierung des Barometers zeigt, das das Darmstädter Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR für die Frankfurter Rundschau berechnet. „Der leichte Aufwärtstrend des FRAX setzt sich im dritten Quartal fort“, bilanziert WifOR-Forschungsfeldleiterin Sandra Zimmermann. „Die Inflation trübt allerdings weiterhin die positive Entwicklung bei Zugangschancen und Ausbildung.“

Im dritten Quartal stiegen die Verbraucherpreise um 8,4 Prozent. Weil die Löhne im gleichen Zeitraum jedoch nur um 2,3 Prozent zulegten, steht unter dem Strich ein Minus und damit auch Kaufkraftverlust – die Reallöhne sinken. „Die Reallohnentwicklung wird zu einer andauernden Belastung für den Arbeitsmarkt“, sagt die WifOR-Doktorin Zimmermann.

Weiterhin positiv ist die Entwicklung dagegen bei der Beschäftigung und den Zugangschancen zum Arbeitsmarkt: Die Zahl der Erwerbstätigen legte um knapp 600 000 Personen zu, während zuletzt rund 50 000 Menschen weniger als arbeitslos gemeldet wurden als noch im dritten Quartal 2021. Eine deutliche Verbesserung stellten die Darmstädter Fachleute auch bei den Zugangschancen fest. So sank die Zahl der Langzeitarbeitslosen im Vergleich zum Vorjahresquartal um knapp 145 000 – das ist ein Rückgang um 13,9 Prozent.

Die Zahl der Menschen, die keine emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber haben, ist leicht gesunken. Diese Entwicklung spricht gegen die populäre These vom „Quiet Quitting“. Dahinter steht die Idee, dass immer mehr Menschen bestenfalls nur mehr Dienst nach Vorschrift machen, ohne ihre Arbeitspflichten zu verletzen. Für das folgende vierte Quartal liegen die umfangreichen Daten, auf deren Basis der FRAX berechnet wird, noch nicht vor.

Das Barometer

Der FR-Arbeitsmarktindex (FRAX) ist eine Entwicklung der Frankfurter Rundschau und des Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR. Er wurde in enger Abstimmung zwischen Journalist:innen und Forschenden erarbeitet. Grundgedanke ist, dass die Arbeitslosen- und Erwerbstätigenzahlen alleine keine fundierte Bewertung des Arbeitsmarktes ermöglichen. Es kommt ebenfalls auf die Qualität der Arbeit an oder darauf, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Der FRAX analysiert deshalb den deutschen Arbeitsmarkt in fünf Kategorien und anhand von 18 Indikatoren, um so zu einem stimmigen Gesamtbild zu kommen. Alle Texte finden Sie auf fr.de/frax auch online. FR

Die einzelnen Kategorie des FRAX:

Beschäftigung: Es geht aufwärts – zumindest etwas: Wie in den Vorquartalen steht bei der Beschäftigung ein leichtes Plus. Dafür verantwortlich ist einerseits die positive Entwicklung bei den Erwerbstätigen: Im dritten Quartal 2022 waren 600 000 Menschen mehr erwerbstätig als noch ein Jahr zuvor. Andererseits ist die Zahl der Menschen ohne Job um knapp zwei Prozent gesunken; es gab rund 50 000 Arbeitslose weniger als im Vorjahresquartal. Diese beiden Trends überwiegen die negativen Effekte, die es auch gibt: So ist die Zahl derjenigen Personen gestiegen, die ausschließlich geringfügig beschäftigt sind – um gut 30 000 auf 4,2 Millionen Menschen.

Zugangschancen: Diese Kategorie ist fast schon traditionell das Sorgenkind des FRAX; der Pfeil zeigte in den vergangenen Quartalen häufig nach unten. Im dritten Quartal 2022 ist das anders: Das Plus von zwei Punkten gründet vor allem auf dem niedrigeren Anteil der Langzeitarbeitslosen; das sind Menschen, die länger als ein Jahr ohne Job sind. Ihr Anteil an allen arbeitslos
gemeldeten Personen ist im dritten Quartal um knapp fünf Prozentpunkte gesunken. Von allen Arbeitslosen waren im dritten Quartal 36 Prozent länger als ein Jahr ohne Arbeit; im Vorjahresquartal waren es noch 41 Prozent. Dieser Trend hebt die
Kategorie in den grünen Bereich.

Einkommen: Das neue Sorgenkind des FRAX ist die Einkommensentwicklung: Die Inflation sorgt nämlich für einen massiven, anhaltenden Rückgang der Reallöhne. Das spürt man an der Supermarktkasse – und zieht auch diese Kategorie in den roten Bereich. Verglichen mit dem dritten Quartal 2021 ist der Reallohnindex im aktuellen Quartal deutlich gefallen und liegt nun knapp 8,7 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresquartals. Daran ändert auch die positive Entwicklung bei den Aufstockern nur wenig – also jenen Erwerbstätigen, die zusätzlich Leistungen der Grundsicherung beziehen. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen ist um knapp 6,1 Prozent zurückgegangen.

Arbeitsbedingungen: Der FRAX legt im aktuellen Quartal zu. Dafür ist in erster Linie die Kategorie der Arbeitsbedingungen verantwortlich. Hier steht ein kräftiges Plus von 4,8 Punkten. Vor allem, weil sich die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz deutlich verbessert haben: So ist die Zahl der Menschen gesunken, die keine emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber haben. Ein Trend, der durchaus gegen die These vom weiter verbreiteten „Quiet Quitting“ spricht. Dahinter steht die Idee, dass immer mehr Menschen nur noch Dienst nach Vorschrift machen, ohne ihre Arbeitspflichten zu verletzen. Die Zahl der Fehltage ging zurück, gleichzeitg gab es mehr Arbeits- und Wegeunfälle.

Ausbildung: Ein großes Minus steht vor dieser Kategorie. Das liegt vor allem daran, dass die Übernahmequote von Auszubildenden wahrscheinlich bei 72 Prozent liegen wird und sich somit im Vergleich zum Vorjahresquartal verringern wird. Diese Aussicht zieht die gesamte Kategorie ins Minus. Eine leichte Verbesserung gab es dagegen beim Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt. Im dritten Quartal 2022 kamen auf 100 nachgefragte Ausbildungsplätze schätzungsweise 101,6 Bewerber:innen. Im Vorjahresquartal waren es nur knapp 99,1 Bewerbungen pro Stelle. Insgesamt wurden 2022 knapp 475 143 Ausbildungsverträge abgeschlossen.

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