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„Frauen stoßen sehr schnell auf Betonwände“

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Von: Anna Laura Müller

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Egal ob jung oder alt, Mann oder Frau: „Fairness und Respekt wünschen sich alle“, sagt Glaser.
Egal ob jung oder alt, Mann oder Frau: „Fairness und Respekt wünschen sich alle“, sagt Glaser. Imago Images © Imago

Arbeitsmarktexpertin Lena Marie Glaser über Solidarität im Beruf, Konflikte zwischen Generationen und flexible Job-Modelle.

Die Karriere von Lena Marie Glaser hatte ordentlich an Fahrt aufgenommen: Schon knapp acht Jahre arbeitete die 1984 geborene Juristin im österreichischen Finanzministerium. Dann, im Juni 2017, warf sie den sicheren und sicher gut dotierten Job hin. „Ohne eine neue Stelle in Aussicht, aber mit dem Wunsch, einen Job für mich zu finden, der mich nicht krank macht“, wie Glaser in ihrem Buch „Arbeit auf Augenhöhe“ schreibt. Die Wienerin machte sich also auf die Suche nach guter Arbeit. Im Interview spricht sie über die Erkenntnisse dieser Suche, über „New Work“, Generationenkonflikte und die Rolle der Frauen.

Frau Glaser, was bedeutetet Arbeiten auf Augenhöhe für Sie ?

Eine Arbeitswelt, in der wir kooperativ zusammenarbeiten, ein- ander zuhören und wo wir auch als Menschen gesehen werden. Das ist genau das, was sich ganz viele Arbeitnehmer:innen wünschen, gerade die jüngere Generation. Viele, mit denen ich im Zuge meiner Forschung und Beratung spreche, verwenden auch genau diesen Begriff: Die Augenhöhe. Das heißt, sie wollen eingebunden werden in die Entscheidungen, die sie betreffen. Sie wollen das Gefühl haben, dass sie mitgestalten können. Und sie wollen in ihrer Arbeit auch anerkannt und wertgeschätzt werden.

Erwarten die verschiedenen Generationen, die sich derzeit parallel auf dem Arbeitsmarkt befinden, denn dasselbe von ihrer Arbeit?

Wertschätzung, Fairness und Respekt wünschen sich alle. Das kann man jetzt nicht spezifisch bei einer Altersgruppe verorten. Der große Unterschied, den ich beobachten konnte, ist, dass die Jüngeren sehr viel selbstbewusster am Arbeitsmarkt auftreten. Gerade jetzt, wo viele Unternehmen kein Personal mehr finden, ist das interessant. Von den Unternehmen höre ich dann oft, dass die Jüngeren oft schon einen Forderungskatalog mitbringen, was sie alles erwarten von ihren zukünftigen Arbeitgebern: Vier-Tage-Woche, Work-Life-Balance, Perspektiven und Weiterbildung, faire Bezahlung, motivierendes Betriebsklima. Das stößt oft auf Unverständnis. Bei älteren Beschäftigten ist ein anderes Verständnis von Arbeit, Erfolg und Leistung verbreitet. Sie sind sozialisiert zu leisten und zu funktionieren. Und bei den Jüngeren merke ich, dass genau das hinterfragt wird.

Können diese aufeinanderprallenden Vorstellungen am Arbeitsplatz denn überhaupt zusammengebracht werden?

Alle diese Altersgruppen sind ja gleichzeitig am Arbeitsmarkt und da macht es gar keinen Sinn, mit diesen unterschiedlichen Vorstellungen gegeneinander zu arbeiten. Sondern der zentrale Punkt ist – und da sehe ich die Aufgabe sehr stark bei den Arbeitgeber:innen – den Austausch zu fördern und Brücken zu bauen. Die Älteren haben die Erfahrung und Wissen, das den Jüngeren oft fehlt. Die jüngeren Beschäftigten hingegen bringen den frischen Blick von außen ein, neue Ideen und sind Digital Natives. Außerdem achten sie oft viel stärker auf ihre mentale Gesundheit. Der Arbeitgeber ist dabei gefragt, die Vielfalt im eigenen Unternehmen zu erkennen und vor allem auch zu investieren in dieses Lernen voneinander.

Zur Person

Lena Marie Glaser, geboren 1984, ist Expertin für New Work und Gründerin von basicallyinnovative.com in Wien. Ihren sicheren Job als Referentin im Öffentlichen Dienst gab sie auf und erforscht seither, wie eine Arbeitswelt auf Augenhöhe funktionieren kann. Sie berät Unternehmen, wie sie diese Veränderungen für ein wertschätzenderes Arbeitsklima einbringen können. Im Buch „Arbeit auf Augenhöhe“, erschienen bei Kremayr&Scheriau, beschäftigt sich die studierte Juristin mit den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und damit, wie man die Arbeit der Zukunft solidarisch gestalten kann.

Eine Gruppe, die Sie in Ihrer Forschung besonders herausstellen, sind Frauen. Die bringen laut Ihren Beobachtungen vermehrt Veränderungen in Gang. Wieso ist das so?

Es ist leider noch immer die traurige Realität: Nur wenige Frauen sitzen in Entscheidungs- und Machtpositionen. In meiner Forschung beobachte ich, dass sich gerade junge, sehr gut ausgebildete Frauen ein neues Arbeiten, „New Work“, wünschen. Sie suchen sich danach auch ihre Arbeitgeber aus. Diese „Visionärinnen“, wie ich sie nenne, wollen gehört werden, ihre Ideen einbringen können. Sie erkennen klar die Probleme und versuchen, diese strategisch zu lösen. Gleichzeitig sehe ich hier eine wachsende Solidarität bei den „Visionärinnen“, Communities entstehen, Wissen und Ressourcen werden geteilt. Doch im persönlichen Arbeitsumfeld stoßen diese Frauen sehr schnell auf Betonwände, die sie kaum durchbrechen können. Das führt zu großer Unzufriedenheit und Resignation bis zum inneren Rückzug. In letzter Konsequenz wechseln sie die Arbeitsstelle oder machen sich selbstständig.

Und um den entgegenzuwirken sollen die Frauen mehr eingebunden werden?

Ja, ich sehe da ein großes Potenzial. Hier sind die Arbeitgeber:innen gefragt: Wenn sie diese engagierten Mitarbeiterinnen halten wollen, müssen sie diese partizipieren lassen. Und sie mit den notwendigen Ressourcen ausstatten, um ihr Potenzial zu nutzen.

Unabhängig von Geschlecht und Alter spielt das mobile Arbeiten eine immer größere Rolle. Ist das für viele Arbeitnehmer:innen wirklich so wichtig, wie es oft dargestellt wird?

Wenn man mit Beschäftigten in Bürojobs spricht, wollen viele von ihnen die Wahlmöglichkeit haben. Bei der Arbeitssuche ist das mittlerweile ein Kriterium, flexibler und mobiler arbeiten zu können. Sie suchen sich gezielt einen Arbeitgeber, wo Homeoffice möglich ist. Gleichzeitig gibt es viele, die gar kein Homeoffice wollen. Man konnte das in der Pandemie gut beobachten: Da gab es diejenigen, die fanden das ganz toll, dass sie sich mehr selbstständig organisieren konnten. Und für andere war es der absolute Horror. Immer mehr Unternehmen bieten daher flexiblere Arbeitsmodelle, um Personal zu gewinnen und zu halten.

Ein Kritikpunkt am Arbeiten zu Hause ist oft die Aufweichung der Grenzen zwischen Job und Privatem. Wie kann das verhindert werden?

Das ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen beim mobilen Arbeiten. Für Arbeitnehmer:innen heißt das, sich selbst zu organisieren, und genügend Pausenzeiten zu machen. Die Arbeitgeber:innen sind gefragt, transparente Regeln festzulegen, die Führungskräfte weiterzubilden, Schulungen für alle anzubieten und klar zu kommunizieren: „Wir vertrauen euch!“ Eine neue Führungs- und Vertrauenskultur ist dringend gefragt. Aus den Gesprächen mit Beschäftigten weiß ich, dass da noch sehr viel falsch gemacht wird. Die Mitarbeiter:innen fühlen sich oft alleine gelassen und glauben, sie müssten ständig performen und dürften gar keine Pause machen.

Das braucht wahrscheinlich Zeit bis das reibungslos läuft.

Auf jeden Fall. Dabei sind der Dialog und das Zuhören sehr wichtig. Und all das auf Augenhöhe, um gemeinsam zu Lösungen zu kommen.

Interview: Anna Laura Müller

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