EVG-Streik bei der Bahn: Die Gewerkschaft steht unter Druck

Mit einem Warnstreik legt die EVG den Bahnverkehr am Freitag lahm. Den Ärger der Fahrgäste nimmt die Gewerkschaft in Kauf, denn sie muss liefern. Ein Kommentar.
Der ganz große Streik wie noch vor wenigen Wochen ist es nicht, immerhin. Von 3 Uhr bis 11 Uhr legt die Gewerkschaft EVG am Freitagmorgen den Bahnverkehr lahm. Das aber wird reichen, um den ganzen Tag für Chaos auf der Schiene und Stress bei den Fahrgästen zu sorgen. In zwei Bundesländern enden die Osterferien, viele Reisende müssen umplanen. Auch im Regionalverkehr werden sich viele Pendlerinnen und Pendler über Verspätungen und Ausfälle ärgern.
Die Bahngewerkschaft EVG weiß das, aber ihre Verhandlungsführerinnen und -führer stehen unter Druck. Seit knapp sieben Wochen wird verhandelt, viel erreicht hat man trotz des Megastreiks zusammen mit Verdi noch nicht. Erst kamen keine Angebote von der Arbeitgeberseite, dann schlug DB-Personalvorstand Martin Seiler vor, sich am Schlichterspruch des öffentlichen Dienstes zu orientieren. Für die EVG war das eine Provokation, weit unterhalb der gewerkschaftlichen Forderungen nach zwölf Prozent mehr Lohn und einem Mindestbetrag von 650 Euro.
Hinzukommt: Die Gewerkschaft verhandelt nicht nur mit der Deutschen Bahn, sondern mit 49 weiteren Unternehmen gleichzeitig. Das macht es für die EVG nicht einfacher. Denn diese kleineren Verkehrsbetriebe warten in vielen Fällen ab und orientieren sich mit ihren Angeboten am Branchenprimus, der Deutschen Bahn. Deren Personalvorstand Seiler ist in einer komfortablen Situation. Er hat keine Eile. Genüsslich hält er der EVG die Wut der Fahrgäste vor, die unter dem Streik leiden. Gleichzeitig kann er auf den Schlichterspruch des öffentlichen Dienstes verweisen und der Gewerkschaft vorwerfen, gar nicht erst ernsthaft verhandeln zu wollen.
Deutsche Bahn schaut auf den öffentlichen Dienst
Einmalzahlungen, wie sie im öffentlichen Dienst eine Rolle spielen, kommen für die Bahngewerkschaft EVG aber nicht in Frage. Ihre Mitglieder mussten in den vergangenen Jahren auf größere Lohnsteigerungen verzichten. Während der Corona-Pandemie akzeptierte die EVG zum Beispiel nur ein mickriges Lohnplus von 1,5 Prozent. Das gilt es nun aufzuholen; Einmalzahlungen helfen dabei nicht.
Die EVG gibt sich deshalb kampfeslustig, weitere Streiks schließt die Gewerkschaftsspitze ausdrücklich nicht aus. Druck kommt nämlich auch noch von einer anderen Seite: der GDL. Bei einem schlechten Tarifergebnis könnte die EVG viele Mitglieder an die kleinere Bahngewerkschaft verlieren. Auch deshalb muss die EVG liefern.