Leiharbeit in der Pflege boomt

Immer mehr Fachkräfte sind nicht mehr direkt bei Kliniken und Heimen angestellt.
Für viele Menschen ist die Leiharbeit unattraktiv: Die Löhne sind niedriger, die Arbeitsbedingungen häufig schlechter. In der Pflege ist das anders: Immer mehr Pflegerinnen und Pfleger zieht es in die Leiharbeit. Dort verdienen sie mehr Geld, können sich ihre Arbeitszeit besser einteilen und müssen weniger Nacht- oder Wochenendschichten übernehmen. Das setzt Verbände und auch die Politik unter Druck.
Von 2015 bis 2022 hat sich der Anteil von Leiharbeitskräften an allen Beschäftigten knapp verdoppelt in medizinischen Gesundheitsberufen (zu denen die Pflege gehört), wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag hervorgeht. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ legte die Zahl der Leiharbeitenden in der Pflege im vergangenen Jahr nochmal sprunghaft zu: um fast zehn Prozent in der Krankenpflege und um 23 Prozent in der Altenpflege. Insgesamt ist der Anteil zwar noch gering, aber er wächst schnell.
Die Daten zeigen auch: Während die meisten Leiharbeitskräfte im Schnitt weniger verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen des Stammpersonals, ist es in der Pflege anders. Das Medienentgelt von Leiharbeiter:innen in medizinischen Gesundheitsberufen ist 13,1 Prozent höher. Sie verdienen monatlich 467 Euro mehr.
Die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind begehrt in der Pflege, weil der Personalmangel ohne sie ein noch größeres Problem werden würde. Laut dem Berufsverband für Pflegeberufe sind derzeit knapp 200 000 Vollzeitkräfte zu wenig in der Pflege beschäftigt. Die unbesetzten Stellen sind das eine Problem. Das andere: die hohe Krankheitsquote. Pflegekräfte sind häufiger krank als Beschäftigte in anderen Branchen. 25,8 Tage waren Altenpflegekräfte 2021 im Durchschnitt krankgeschrieben, wie die Techniker Krankenkasse ausgewertet hat. Das waren rund zwölf Tage mehr im Jahr als Berufstätige insgesamt (13,9 Tage).
Von dieser Situation profitieren die Leiharbeitskräfte – und auch die Unternehmen, die sie den Pflegeheimen und Krankenhäusern überlassen. Die wiederum beklagen sich: „Leiharbeit im Krankenhaus entwickelt sich von der Ausnahme zum Regelfall“, warnte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Februar. Immer mehr Beschäftigte wanderten in die Leiharbeit ab, „so dass sich eine Spirale entwickelt, deren Ende ohne Eingriffe nicht absehbar ist“.
Für die Arbeitgeber steigen vor allem die Kosten: Eine Leiharbeitskraft kostet sie rund 108 500 Euro im Jahr. Eine festangestellte Tarifkraft (Stufe P-7) dagegen nur rund 60 000 Euro. Insgesamt verursacht die zunehmende Leiharbeit so Mehrkosten von mehr als 606 Millionen Euro, wie die Unionsfraktion im Bundestag laut „Süddeutscher Zeitung“ errechnet hat.
Von vielen Seiten kommt deshalb die Forderung an Gesundheitsminister Karl Lauterbach: Leiharbeit solle beschränkt werden. Tatsächlich will auch der SPD-Politiker die Leiharbeit eindämmen – allerdings nur in Pflege- und Seniorenheimen, nicht in Krankenhäusern.
„4500 Euro sollten es sein“
Laut einem Gesetzesentwurf für die Pflegereform von Mitte März dürfen Pflegeeinrichtungen künftig die Mehrkosten für den Einsatz von Leiharbeitenden nicht den Pflegekassen in Rechnung stellen. Abgerechnet werden dürfen maximal die in der Branche üblichen Tariflöhne. Auch Vermittlungsgebühren für die Zeitarbeitsfirmen dürfen nicht weitergereicht werden.
Die Spartengewerkschaft Bochumer Bund kritisiert gegenüber der FR eine „groteske“ Situation: „Ein Verbot der Leiharbeit würde lediglich ein Symptom bekämpfen, nicht aber die Ursachen“, sagte ein Sprecher. Die 2020 gegründete Gewerkschaft für Pfleger:innen fordert stattdessen unter anderem ein Einstiegsgehalt von 4500 Euro. „Wenn die Politiker:innen glauben, sie können Pflegende, die aus gutem Grund in Leasingfirmen abgewandert sind, einfach durch Verbote zurückgewinnen, sind sie auf dem Holzweg.“ Eine Begrenzung der Leiharbeit werde nur zu noch weniger verfügbaren Pflegekräften führen.