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Zahl der Langzeitarbeitslosen steigt

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Von: Steffen Herrmann

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Die Pandemie wird auf dem Arbeitsmarkt noch länger zu spüren sein.
Die Pandemie wird auf dem Arbeitsmarkt noch länger zu spüren sein. © Jens Büttner/dpa

Das FR-Barometer FRAX zeigt: Die Folgen der Pandemie auf deutschem Arbeitsmarkt wirken sich länger aus - trotz einigen positiven Effekten.

Millionen verabreichte Impfdosen, geöffnete Restaurants und Toilettenpapier en masse: Die pandemische Lage in Deutschland hat sich offensichtlich entspannt. Auf dem Arbeitsmarkt aber werden die Folgen des Coronavirus noch einige Zeit zu spüren sein, vor allem weil die Zahl der Langzeitarbeitslosen drastisch steigt.

Der FR-Arbeitsmarktindex (FRAX) fiel dementsprechend im zweiten Quartal 2021 auf 108 Punkte – ein Rückgang von 0,6 Punkten im Vergleich zum Vorjahresquartal. Das zeigt die jüngste Aktualisierung des Barometers, das das Darmstädter Wirtschaftsforschungsinstitut Wifor für die Frankfurter Rundschau berechnet.

FRAX: Mehr Beschäftigte, aber auch mehr Langzeitarbeitslose

„Der Arbeitsmarkt leidet auch im zweiten Quartal 2021 noch an den andauernden Auswirkungen der Corona-Pandemie“, sagte Wifor-Chef Dennis A. Ostwald. „Zwar sind heute etwa 100 000 Beschäftigte mehr zu verzeichnen als noch vor einem Jahr, gerade die Langzeitarbeitslosigkeit wird zunehmend zu einem Problem.“

Und drückt auch den FRAX: Die Kategorie der Zugangschancen fiel drastisch um 7,1 Punkte. Maßgeblich dafür ist der steigende Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen: Von April bis Juni 2020 lag dieser Anteil noch bei 27,7 Prozent, im zweiten Quartal 2021 waren es dann 39,2 Prozent. Im gesamten ersten Halbjahr 2021 waren durchschnittlich 1,04 Millionen Menschen langzeitarbeitslos, also ein Jahr oder länger arbeitslos gemeldet. Das sind rund 290 000 Menschen mehr als noch im Durchschnitt des ersten Halbjahres 2020 – ein deutlicher Anstieg.

Auch positive Entwicklung auf Arbeitsmarkt

Dabei entwickelte sich die Beschäftigung im zweiten Quartal positiv: Die Zahl der Arbeitslosen ging zurück, gleichzeitig stieg die Zahl der Erwerbstätigen und auch bei den geleisteten Arbeitsstunden stand ein deutliches Plus. Das reichte aber nicht, um den FRAX auf Wachstumskurs zu bringen. Für das dritte Quartal liegen die umfangreichen Daten, auf deren Basis der FRAX berechnet wird, noch nicht vor.

Und so entwickelten sich die einzelnen FRAX-Kategorien im zweiten Quartal 2021:

So entwickelte sich der FRAX im zweiten Quartal 2021.
So entwickelte sich der FRAX im zweiten Quartal 2021. © FR/Wifor

Ausbildung: Trübe Aussichten im zweiten Quartal auf dem Ausbildungsmarkt: Die Kategorie ist deutlich im Minus. Der Grund ist die stark rückläufige Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverhältnisse. Paradox: Einerseits streichen viele Unternehmen ihr Angebot von Ausbildungsplätzen zusammen, andererseits suchen viele Betriebe verzweifelt nach jungem Nachwuchs, etwa im Handwerk (siehe Haupttext). Entscheidend wird das dritte Quartal sein sowie der Schlussspurt zum Jahresende. Beim Verhältnis von angebotenen und nachgefragten Ausbildungsplätzen sowie bei der Quote der Übernahmen von ausgebildeten Personen hat sich im zweiten Quartal wenig verändert.

Beschäftigung: Die Kategorie entwickelte sich positiv im zweiten Quartal und nähert sich ihrem Vor-Pandemie-Niveau. Die Gründe dafür kurz zusammengefasst: mehr Erwerbstätige, weniger Arbeitslose und mehr geleistete Arbeitsstunden im Vergleich zum zweiten Quartal 2020. Damals war die Arbeitslosigkeit wegen der Corona-Krise rasant auf 2,82 Millionen angestiegen. Im aktuellen Quartal waren dagegen nur noch circa 2,72 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Ebenfalls positiv: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (+200 000) stieg, während bei den ausschließlich geringfügig Beschäftigten ein Minus von mehr als 130 000 verzeichnet wurde.

Zugangschancen: Weil der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen deutlich zugenommen hat, verzeichnet die Kategorie einen starken negativen Effekt. Im zweiten Quartal waren 39,18 Prozent aller Arbeitslosen langzeitarbeitslos (2020: 27,7). Gestiegen ist auch der Anteil der Randaltersgruppen an allen Arbeitslosen, auch das drückte die Kategorie ins Minus. Immerhin: Die Chancen von Jungen und Alten, aus der Arbeitslosigkeit wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden, verbesserten sich minimal. Der Anteil von Frauen an allen versicherungspflichtigen Beschäftigten blieb dagegen im Vergleich zum Vorjahresquartal unverändert.

Arbeitsbedingungen: Arbeitsbedingungen waren in der Pandemie ein großes Thema. Die Zufriedenheit der Beschäftigten mit diesen Bedingungen hat sich im zweiten Quartal 2021 erneut leicht verbessert. Hierbei geht es zum Beispiel um die Verfügbarkeit der notwendigen Arbeitsmittel, die Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten oder die Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen. Hauptsächlich verantwortlich für die positive Entwicklung dieser Kategorie ist aber die deutliche Abnahme von Arbeits- und Wegeunfällen. Verständlich: Viele Beschäftigte arbeiten bis heute zumindest einige Tage in der Woche im Homeoffice. Das reduziert die Gefahr, in Bus, Bahn oder Auto zu verunglücken.

Einkommen: Die Kategorie verzeichnet ein Plus im Vergleich zum Vorjahresquartal. Positiv wirkt sich aus, dass die Zahl der Menschen, die ihren Lohn mit Sozialhilfe aufstocken müssen, gesunken ist. Auch der Reallohnindex entwickelte sich positiv, vermutlich weil viele Beschäftigte aus der Kurzarbeit zur Vollarbeit zurückgekehrt sind: Die Menschen haben knapp 5,8 Prozent mehr verdient. Weil die Löhne stärker gestiegen sind als die Verbraucherpreise, erhöht sich der Wert des Index. Gesunken ist dagegen der Anteil der Beschäftigten am Volkseinkommen – wegen steigender Unternehmensgewinne. Das drückt die Einkommensentwicklung leicht.

Das Barometer

Der FR-Arbeitsmarktindex (FRAX) ist eine Entwicklung der Frankfurter Rundschau und des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifor. Er wurde in enger Abstimmung zwischen Journalist:innen und Wissenschaftler:innen erarbeitet. Grundgedanke des FRAX ist, dass die Arbeitslosen- und Erwerbstätigenzahlen alleine keine fundierte Bewertung des deutschen Arbeitsmarktes ermöglichen. Es kommt ebenfalls auf die Qualität der Arbeit an oder darauf, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Der FRAX analysiert deshalb den deutschen Arbeitsmarkt in fünf Kategorien und anhand von 18 unterschiedlichen Indikatoren. FR

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