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Frankfurt holt weiter auf

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Von: Martin Brust

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Wächst rascher als Berlin: Die Fintech-Szene Rhein-Main.
Wächst rascher als Berlin: Die Fintech-Szene Rhein-Main. © dpa

Frankfurt ist weiter mit Abstand der Bankenplatz Nummer eins in Deutschland. Die Stadt zieht auch immer mehr Fintechs an.

Und wieder kommt ein Berliner Fintech nach Frankfurt: Der digitale Vermögensverwalter Liqid eröffnet eine Niederlassung am Main. „Frankfurt ist mit Abstand der Bankenplatz Nummer eins in Deutschland. Für uns ist es eine absolute Notwendigkeit, hier vor Ort vertreten zu sein“, erklärt Liqid-CEO Christian Schneider-Sickert. Liqid ist nicht einer von vielen Fintechs, die kostengünstige Geldanlagen bieten, sondern in letzter Konsequenz steht dahinter ein Teil der Quandt-Familie, genauer: die HQ Trust GmbH in Bad Homburg, die Vermögensverwaltung der Familie Harald Quandt. Sie verwaltet auch die Vermögen anderer Privatleute und Familien und arbeitet für institutionelle Anleger. Die Fintech-Tochter Liqid soll diese Expertise nun auch Anlegern mit deutlich geringeren Vermögen zur Verfügung stellen, und zwar kostengünstig und digital, so das Versprechen. Das Liqid-Investment-Team setzt sich aus Mitarbeitern von HQ Trust zusammen, laut dem Gebührenrechner auf der Liqid-Webseite sollen Kunden mit einem Anlagebetrag ab 100 000 Euro geworben werden.

Liqid ist also sozusagen aus der Rhein-Main-Region über den Umweg Berlin wieder zurück in der Heimat, und dort rollt der Fintech-Boom weiter kräftig. Die Branche wächst. Alleine in der Region Rhein-Main-Neckar hat sich die Zahl der Fintechs laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young zwischen März und Dezember 2016 um 45 Prozent auf 81 erhöht, in Deutschland um 22 Prozent auf mehr als 300. Rhein-Main bleibe zwar in Deutschland Nummer zwei hinter Berlin, wachse aber rascher. Die meisten Fintechs der Region sitzen in Frankfurt, wo es mittlerweile neun der Branche gewidmete Inkubatoren und Zentren gibt. Alle deutschen Fintechs haben laut EY 2016 vermutlich erstmals mehr Investorengeld eingeworben als die britischen.

Man darf gespannt sein, wie viele dieser Gründungen und Investments sich unter dem Strich rentieren werden – für Verbraucher ist Fintech nach wie vor so exotisch wie viele der Wetten, mit denen Investmentbanker oder Hedgefonds Geld machen. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Explorare unter 512 Deutschen haben über 90 Prozent noch nie etwas von Fintechs gehört. Von jenen, die den Begriff kennen, nutzen 80 Prozent keine entsprechenden Dienstleistungen. Nicht aus Angst um ihre Daten oder ihr Geld – fast zwei Drittel sind schlicht zufrieden mit ihren Finanzdienstleistern. Auch eine kürzlich veröffentlichte Studie, mit der das Bundesfinanzministerium die deutsche Fintech-Branche durchleuchtet hat, zeigt Boom und Zurückhaltung: Demnach nutzten 2015 nur wenige Deutsche bankenunabhängige Systeme zum Management ihrer Finanzen. Der Bereich der Robo Advisors soll dagegen zwischen 2007 bis 2015 sein Marktvolumen verzehnfacht haben, auch anderen Fintech-Bereiche werden dreistellige Wachstumsraten bescheinigt.

Lars Reiner, Gründer des Frankfurter Robo Advisors Ginmon, sagt: „Wir sind in den letzten Monaten jeden Monat um 25 bis 30 Prozent gewachsen und konnten unsere Kundenzahlen deutlich ausbauen.“ Das Fintech zieht Ende April, gemeinsam mit dem Main Incubator der Commerzbank, einem frühen Fintech-Vorreiter in Frankfurt, in neue Räumlichkeiten zwischen Banken- und Bahnhofsviertel. Ginmon hat seine Mitarbeiterzahl seit September auf 30 verdoppelt.

Ähnliches meldet der Gründer von Savedroid, Yassin Hankir, dessen Unternehmen im Fintech-Hub der Deutschen Börse in Frankfurt sitzt: „Wir haben in nur einem Jahr unser Team von zehn auf 17 Mitarbeiter vergrößert“, die Spar-App sei mittlerweile über 150 000 mal heruntergeladen worden – wie viele Nutzer tatsächlich aktiv sind, sagt Hankir nicht. Savedroid, dass im Sommer 2016 eine erste Finanzierungsrunde in Höhe von einer Million Euro abgeschlossen hatte, wurde nun, bei der zweiten im Februar, mit 20 Millionen Euro bewertet. Hankir und sein Team haben nun die Schreibtische zusammengeschoben – viel Platz in ihren beiden Räumen hatten sie schon im Sommer nicht. Hankir, dessen Firma jetzt erste Einnahmen erzielt, plant für Herbst die nächste Finanzierungsrunde und wird mit dann noch mehr Mitarbeitern wohl auch einen Umzug ins Auge fassen müssen. Dann soll auch die Expansion nach Europa starten.

In einer ganz anderen Liga spielt Clark bereits: Das im Juni 2015 in Berlin gegründete und mittlerweile mit Hauptsitz in Frankfurt ansässige Fintech vermittelt Kunden per App, unterstützt von Algorithmen, günstigere Versicherungsverträge und hat im vergangenen Sommer über 13 Millionen Euro von Investoren erhalten. Vor kurzem gab Clark eine Kooperation mit ING-Diba bekannt, die ihren Kunden die Dienstleistungen anbieten wird. Das dürfte für Kundenwachstum sorgen. Dabei läuft die Clark-App nach Firmenangaben bereits auf rund einer halben Million Smartphones.

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