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Elektroauto wird zum Jobkiller

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Von: Frank-Thomas Wenzel

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Die Wende hin zur E-Mobilität wird die Branche vor Probleme stellen, darunter auch die Zulieferer von Auspuff-Anlagen.
Die Wende hin zur E-Mobilität wird die Branche vor Probleme stellen, darunter auch die Zulieferer von Auspuff-Anlagen. © rtr

Rund 100.000 Arbeitsplätze könnten bis 2023 wegfallen: Eine Studie errechnet, wie viele Arbeitsplätze die Verkehrswende kostet.

Der Mittelständler, der spezialisiert ist auf die Fertigung von Auspuffen. Oder der große Zulieferer, der Einspritzanlagen für Dieselmotoren baut: Was wird aus ihnen, wenn die Elektromobilität sich durchsetzt? Unter Betriebsräten und Gewerkschaftern geht die Angst vor einem massiven Jobabbau um. Experten des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) haben es hochgerechnet und kommen zu dem Ergebnis, dass bis 2030 hierzulande rund 100.000 Arbeitsplätze wegfallen könnten. Jörg Hofmann, IG-Metall-Vorsitzender, fordert von der Politik eine „zielgerichtete Industrie- und Beschäftigungspolitik“. 

Der am Montagabend von der Gewerkschaft vorgestellte „Vorabbericht“ hat Gewicht. Denn die Studie wurde nicht nur von der IG Metall, sondern auch von den drei deutschen Autobauern (Volkswagen, Daimler, BMW), von wichtigen Zulieferern (Bosch, Schaeffler, ZF, Mahle) und von der Autolobby VDA getragen. Sie kommt zu einem Zeitpunkt, da in der EU über die Verschärfung der Vorgaben für den CO2-Ausstoß von Autos bis 2030 diskutiert wird. 

Die IG-Metall-Spitze und Betriebsratschefs großer Konzerne aus der Autobranche bemühten sich am Montagabend im Frankfurter Hauptquartier der Gewerkschaft deutlich zu machen, dass sie nichts gegen den Klimaschutz haben. Doch der Ausbau der Elektromobilität müsse „konditioniert“ werden, wie es Hofmann gleich mehrfach formulierte. Was er damit vor allem meint: Arbeitnehmer, die in der Fertigung von Verbrennungsmotoren und Getrieben beschäftigt sind, dürfen von der Politik nicht vergessen werden. 

Der mächtige Volkswagen-Betriebsratschef Bernd Osterloh betonte, für die Fertigung eines Golf würden heute etwa 20 Arbeitsstunden benötigt. Man müsse davon ausgehen, dass für ein entsprechendes Elektromobil ein Drittel weniger Aufwand anfalle. Der Grund: Die Technik eines Stromers ist erheblich simpler als bei einem Verbrenner. Eine Auspuffanlage braucht es nicht mehr. Auch keine Einspritzanlage.

Über den Daumen besteht der Antriebsstrang eines Diesels oder eines Benziners aus 1200 Komponenten, der eines E-Autos aus 200. Viele kommen von Bosch. Hartwig Geisel, Betriebsratschef des Stuttgarter Zulieferers, blickt nicht gerade optimistisch in die Zukunft. „Bei uns wird mit einem Verhältnis von zehn zu eins gerechnet.“ Soll heißen: Wo heute hundert Frauen und Männer Bauteile für ein Dieselauto bauen, werden eines Tages nur noch zehn Beschäftigte Komponenten für E-Aggregate fertigen.

Schließungen drohen

Das wird laut IAO-Studie nicht nur ein Problem von Bosch werden. Der Strukturwandel schlage bei „spezialisierten Tätigkeiten“ besonders stark durch: Der Rückgang von Stückzahlen und Umsatz könne „zur Schließung von dedizierten Betriebsteilen, Standorten oder ganzen Betrieben“ führen oder einen „Technologiebruch in monostrukturellen Industrieregionen“ nach sich ziehen. Die Fraunhofer-Wissenschaftler und IG-Metall-Chef Hofmann sehen vor allem Beschäftigte von kleinen und mittelgroßen Zulieferern in Gefahr. Denen werde es an Geld und Know-how fehlen, um die Produktion auf E-Auto-Teile umzustellen.

Die IAO-Forscher gehen davon aus, dass die alternativen Antriebe kontinuierlich mehr werden: Im Mai wurden 2310 reinrassige E-Autos und 2465 Plug-In-Hybride (Marktanteil jeweils 0,8 Prozent) neu zugelassen. Bis zum Jahr 2030 sollen es 25 und 15 Prozent werden – als wahrscheinlichstes Szenario. Dabei wird die immer gleiche Gesamtmenge an verkauften Fahrzeugen unterstellt und dass der größte Teil der Produktion hierzulande stattfindet. Dann haben die Wissenschaftler auf betrieblicher Ebene durchgespielt, wie dies konkret die Fertigung der Komponenten des Antriebsstrangs verändert. 

Das Gesamtergebnis: Etwa 100.000 von insgesamt rund 200.000 Jobs in der hiesigen Produktion von Motoren und Getrieben könnten bis 2030 wegfallen. Im Gegenzug könnten aber nur 25.000 neue Arbeitsplätze in der Fertigung von E-Antrieben entstehen. Hofmann betont: Es gebe dennoch keinen Grund zur Angstmacherei. „Die Herausforderung ist groß, aber zu bewältigen, wenn jetzt die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.“ Seine wichtigste Forderung ist eine „massive Qualifizierungsoffensive“, damit „die Beschäftigen in diesem Wandel nicht unter die Räder kommen“. So sei das derzeitige Transfer-Kurzarbeitergeld, das maximal zwölf Monate gezahlt wird, unzulänglich, um Arbeitnehmer tatsächlich umzuschulen. Auch müsse der Gesetzgeber ein Initiativrecht auf Fortbildung für Beschäftigte festschreiben.

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