Ein EEG für den Acker

Die Artenvielfalt nimmt ab. Ein Grund dafür ist die konventionelle Landwirtschaft. Fachleute haben einen Vorschlag entwickelt, wie es mehr Hecken und Blühstreifen geben könnte.
Die konventionelle Landwirtschaft gilt als einer der Hauptfaktoren für den starken Rückgang der Artenvielfalt in den vergangenen Jahrzehnten. Ein Problem dabei: Die Ackerflächen vergrößerten sich mit zunehmendem Maschineneinsatz, natürliche Landschaftselemente wie Hecken oder Blühstreifen, Weiher und Ackerrandstreifen wurden vielfach entfernt. Zwar hat hier inzwischen ein Umdenken begonnen. Doch Landwirtinnen und Landwirte erhalten heute häufig noch keine ausreichende finanzielle Gegenleistung, wenn sie zum Beispiel Hecken und Blühstreifen neu anlegen. Ein neuer Vorschlag könnte dieses Problem lösen: eine Umlagefinanzierung analog zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
Entwickelt hat das Umlagemodell zur Entlohnung der „Ökosystemleistungen“ ein Forschungsteam aus dem Öko-Institut, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und dem Anbauverband Bioland. Das Prinzip geht so: Die Kosten für die Öko-Fördermaßnahmen werden auf Produkteinheiten der landwirtschaftlichen Rohwaren wie Getreide, Milch, Fleisch, Ölfrüchte, Zuckerrüben oder Kartoffeln heruntergebrochen und von den Molkereien, Schlachthöfen oder Mühlen entrichtet, die diese den Landwirtinnen und Landwirten abnehmen. Die Aufschläge wären nach ersten Kalkulationen so gering, dass die Kundinnen und Kunden sie im Preis des Endprodukts dann kaum spüren würden. Trotzdem würden laut dem Team große Finanzströme in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft mobilisiert.
Das EEG war im Jahr 2000 für den Stromsektor eingeführt worden, um die Ökostromproduktion in Gang zu bekommen – und zwar durch eine Umlage, die auf den Kilowattstunden-Preis für alle Elektritzitätsverbraucher:innen umgelegt wurde. Inzwischen beträgt der Ökoanteil an der Stromproduktion bereits knapp die Hälfte.
Durchgerechnet wurde das „EEG-Modell“ für den Agrarsektor am Beispiel eines gängigen Bäckereiprodukts – eines Brots. Würden auf zehn Prozent der Agrarfläche Maßnahmen für mehr Biodiversität wie die Anlage von Blühstreifen, Flurgehölzen oder sogenannten Lichtäckern (extensive Aussaat in dünner Reihe) durchgeführt und die so entstehenden Kosten umgelegt, würde ein Kilo Mischbrot an der Verkaufstheke nur um ein bis zwei Cent teurer. Zugrunde gelegt wurde dabei auf Datenbasis von 2020, dass die Getreide-Agrarbetriebe aus dem Verkauf des Brotes rund 22 Cent erhalten, was knapp zehn Prozent des Preises ausmacht, den Verbraucher:innen an der Theke zahlen.
Projektleiterin Kirsten Wiegmann vom Öko-Institut betont: „Die Landwirtschaft sichert mit vielseitigen Produkten unser Überleben und prägt etwa die Hälfte unserer Landesfläche in Deutschland.“ Mit dem vorgeschlagenen Umlagemechanismus könne ein Geldfluss entstehen, mit dem die nötigen Ökosystemleistungen nachhaltig zu finanzieren wären. Bei Bioland heißt es dazu: „Umweltschutz in der Landwirtschaft muss sich lohnen, dazu gehört auch, die administrativen und finanziellen Hürden abzubauen.“ Die Umlage könne der Biodiversität einen Push geben.
Bisher werden Öko-Maßnahmen wie das Anlegen von nicht bewirtschafteten Ackerrandstreifen zwar bereits im Rahmen der EU-Agrarförderung berücksichtigt. Die Gelder dazu reichen jedoch bei weitem nicht aus. Fachleute schätzen, dass in Deutschland ein Initiativprogramm mit Kosten von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr aufgelegt werden müsste, um die Biodiversität auf den Agrarflächen wieder zu verbessern.
Für einen nachhaltigen Umbau des Agrarsektors insgesamt wäre freilich noch viel mehr Geld nötig. Die noch von der letzten Merkel-Regierung eingesetzte „Zukunftskommission Landwirtschaft“ hatte den Bedarf dafür auf elf Milliarden Euro pro Jahr taxiert, deutlich mehr als die sechs Milliarden jährlich, die Brüssel bisher an Agrarförderung überweist. „Es braucht zusätzliches Geld zur bestehenden Förderung, wenn wir die Landwirtschaft nachhaltiger aufstellen wollen“, sagt Wiegmann vom Öko-Institut. Weitere Maßnahmen wären hier zum Beispiel die Reduktion der Pestizidmengen, mehr Bio-Landbau, verbessertes Tierwohl und die Wiedervernässung von trockengelegten Mooren. Die Umlage sei ein Modell, wie das Geld aufgebracht werden könne, meint die Expertin.
Das Forschungsprojekt mit dem Titel „Blaupause für die Landwirtschaft“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, geht nun weiter ins Detail. So soll untersucht werden, welche Öko-Maßnahmen in welcher Region genau notwendig sind und was ihre Umsetzung kosten würde. So wird in zwei Gebieten in Niedersachsen und Bayern auf Landkreisebene zunächst eine Bestandsaufnahme der dort aktuell bereits umgesetzten Maßnahmen auf Äckern und Grünland durchgeführt. Dann schaut sich das Team an, welche Ziele für Artenvielfalt anzustreben sind und welche zusätzlichen Maßnahmen dazu finanziert werden müssen. Am Ende geht es dann darum, ein Modell zu entwickeln, wie die Kosten „rechtssicher“ auf die Erstabnehmer:innen der Agrar-Rohwaren verteilt werden können.