1. Startseite
  2. Wirtschaft

Energie und Klimaschutz: Die neue Rolle Afrikas

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Johannes Dieterich

Kommentare

Wüstenlandschaft nahe der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott. Nur 4,6 Millionen Menschen leben in dem Land.
Wüstenlandschaft nahe der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott. Nur 4,6 Millionen Menschen leben in dem Land. © AFP

Im Wüstenstaat Mauretanien soll die weltweit größte Produktionsanlage für grünen Wasserstoff entstehen. Auch andere Länder des Kontinents wollen zu Energielieferanten werden.

Langweilig“, sagt Stefan Liebing, „ist es mir zur Zeit nicht.“ Eine charmante Untertreibung: Der 46-jährige Geschäftsmann ist derzeit noch Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft sowie Geschäftsführer der Hamburger Projektgesellschaft Conjuncta und hat als solcher vor wenigen Tagen mit der Regierung des nordwestafrikanischen Staates Mauretanien eine Absichtserklärung für den Bau der weltweit größten Produktionsanlage für grünen Wasserstoff unterzeichnet.

Zusammen mit dem ägyptisch-emiratischen Energiekonzern „Infinity Power“ will der neue deutsche Wasserstoff-Zar ein Werk mit einer Stromleistung von zehn Gigawatt und Kosten von rund 34 Milliarden US-Dollar in die mauretanische Wüste setzen – der Leistung von mehr als zehn herkömmlichen Atomreaktoren. Die erste Phase des nördlich der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott geplanten Großprojekts soll 400 Megawatt leisten und in fünf Jahren fertig sein. Außer der Elektrolyse-Anlage, die gewöhnliches Wasser in Sauer- und Wasserstoff trennt, sind eine Entsalzungsanlage sowie ein Wind- und ein Solarpark nötig: Der für die Elektrolyse nötige Strom muss erneuerbar erzeugt werden, sonst ist der Wasserstoff nicht „grün“.

Das Kuwait des Wasserstoff-Zeitalters

In Sachen Sonneneinstrahlung und Wind gehört Mauretanien zu den fünf verwöhntesten Staaten der Welt: Kein Wunder, dass dort neben Infinity Power und Conjuncta noch drei weitere Konzerne und Konsortien den Energieträger der Zukunft produzieren wollen. Der Wüstenstaat von der dreifachen Größe Deutschlands, in dem gerade mal 4,6 Millionen Menschen leben, will zum Kuwait des Wasserstoff-Zeitalters werden.

In Sachen grünem Wasserstoff ist Liebing kein Greenhorn mehr. Der Energieexperte hat bereits ein Wasserstoff-Projekt in Angola in die Wege geleitet – gemeinsam mit dem dortigen Energiekonzern Sonangol. Die erste größere Anlage in Afrika zur Produktion von Wasserstoff soll bereits Ende nächsten Jahres fertig sein und 400 Megawatt leisten – wofür in Mauretanien mindestens fünf Jahre veranschlagt werden.

Der Grund: In Angola ist bereits Süßwasser aus einem nördlich der Hauptstadt Luanda verlaufenden Fluss vorhanden, außerdem überschüssige Elektrizität aus einem Wasserkraftwerk. In Angola ist deshalb nur ein Elektrolysewerk aber keine Entsalzungsanlage und kein Solar- und Windpark nötig.

Forum Entwicklung

Grüner Wasserstoff gilt als umweltfreundliche Lösung, den wachsenden Energiebedarf der Welt zu decken. Als Lieferant für Deutschland ist dabei vor allem Afrika im Fokus. Schafft das auch eine nachhaltige Entwicklung in West- und Subsahara-Afrika? Wie kann eine Partnerschaft auf Augenhöhe gelingen? Darüber diskutieren beim Forum Entwicklung von FR, hr-info und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) am Mittwoch, 26. April: Prof. Dr. Stefan Liebing (Geschäftsführer von Conjuncta und Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft), Bärbel Höhn (Energiebeauftragte für Afrika im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Torsten Schreiber (Chef von Africa Greentec) und Dr. Mike Enskat (GIZ-Experte für Energie). Moderation: Tobias Schwab (FR). tos

Die Diskussion im Frankfurter Haus am Dom, Domplatz 3, beginnt am Mittwoch, 26. April um 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Der produzierte Wasserstoff ist sowohl in Angola wie auch in Mauretanien zumindest zunächst noch ausschließlich für den Export bestimmt. Zum Transport muss der Wasserstoff entweder mit Kohlendioxid in Methanol oder mit Stickstoff in Ammoniak verwandelt werden. Liebings Konsortien setzen in beiden Ländern auf Ammoniak.

Das Interesse an einem Konsortium mit deutscher Beteiligung ist dem Umstand zu verdanken, dass Deutschland in Zukunft einer der größten Abnehmer für Wasserstoff sein wird – alleine schon, um das russische Erdgas zu ersetzen. In Deutschland wird bereits an einem Pipelinenetz für Wasserstoff gearbeitet, das zunächst vor allem Industriezentren verbinden wird.

Deutsche Firmen führend

Dass ein nennenswerter Teil des deutschen Energieverbrauchs künftig durch Wasserstoff gedeckt werden muss, gilt unter Fachleuten als sicher. Wird der Bedarf derzeit noch zu Zweidritteln aus Kohle-, Erdöl- und Erdgasimporten bestritten, muss das den Verpflichtungen der Berliner Regierung zufolge spätestens bis 2045 aufhören.

Als Europas Energielieferant wird Afrika eine wachsende Rolle spielen, ist Liebing überzeugt. Zur Herstellung von erschwinglichem grünem Wasserstoff wird in gleichem Ausmaß Wind- und Sonnenenergie benötigt, weil die teuren Anlagen auch nachts betrieben werden müssen, um rentabel zu sein. Afrikas Atlantikküste eignet sich bestens dafür: Große Wasserstoffwerke sind außer in Mauretanien auch in Marokko, Namibia und Südafrika geplant.

Beim Bau der Produktionsanlagen sind deutsche Unternehmen wie Siemens, Thyssen-Krupp, Linde oder MAN führend: Liebing erhofft sich, dass deutsche Investitionen und die Präsens deutscher Firmen in Afrika bald deutlich steigen werden. Er sei in den vergangenen zwölf Jahren „nicht in vollem Umfang erfolgreich“ gewesen, zieht der scheidende Chef des Afrika-Vereins nüchtern Bilanz: Noch immer schreckten deutsche Firmen vor einem Engagement in Afrika zu schnell zurück. Jetzt kann Liebing dafür sorgen, dass zumindest sein Nachfolger erfolgreicher sein wird.

Auch interessant

Kommentare