Die echten Krisenprofiteure

Ölkonzerne wie BP, Exxon-Mobil und Shell stehen wegen ihrer unanständig hohen Gewinne in der Kritik.
Der Ölmulti BP reiht sich in die Liste der Energiekonzerne mit Rekordgewinnen ein. Das britische Unternehmen verbuchte im vorigen Jahr einen Profit von 27,6 Milliarden Dollar. Das ist mehr eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Hauptursache für die enorme Steigerung war das, was aus Unternehmenssicht als „günstiges Marktumfeld“ beschrieben wird. Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine stiegen die Preise für Rohöl mit fast 140 Dollar pro Fass (159 Liter) auf den höchsten Wert seit zehn Jahren. Zugleich schnellten die Notierungen für Erdgas noch viel stärker nach oben – im August mussten in Europa für die Megawattstunde fast 350 Euro gezahlt werden.
Auch die anderen Mitglieder des Quintetts der fünf großen westlichen Öl- und Gas-Multis erwirtschafteten gigantische Erträge. Exxon-Mobil und Chevron (beide USA) stechen hervor. Exxon konnte den Profit um rund 140 Prozent auf 56 Milliarden Dollar steigern. Chevron beglückt seine Anteilseigner dank riesiger Liquidität mit einem Aktienrückkaufprogramm von 75 Milliarden Dollar. Das soll vor allem dazu dienen, den Kurs des Wertpapiers hoch zu halten. Bei Shell (Großbritannien) war es insbesondere die Erdgas-Abteilung, die für den Rekordgewinn von knapp 40 Milliarden Dollar sorgte. Die französische Total-Energies wird am Mittwoch ihre Zahlen vorlegen, Fachleute erwarten ebenfalls eine Verdopplung des Profits. Insgesamt prognostizieren sie, dass die großen Fünf unterm Strich bis zu 200 Milliarden Dollar im abgelaufenen Jahr eingefahren haben.
BP-Chef Bernard Looney hat nun angekündigt, die geplante Umstellung seines Konzerns von fossilen auf erneuerbare Energien deutlich zu verlangsamen. „Wir erhöhen unsere Investitionen in die Energiewende und gleichzeitig in das heutige Energiesystem“, so Looney. Das sei, was Regierungen und Kunden verlangten. Allerdings will auch er – wie die Manager der anderen Multis – Dividenden und Aktienrückkäufe hochfahren.
Die Strategie, Anteilseigner mit großzügigen Gaben zu bedenken, hat diesseits und jenseits des Atlantiks zu heftigen Vorwürfen durch die Politik geführt. US-Präsident Joe Biden forderte seine Ölindustrie schon im vorigen Herbst auf, Gewinne nicht auszuschütten, sondern zwecks Steigerung der Öl- und Gas-Förderung wieder zu investieren.
Die Kritik hält an. Der Parteivorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Es ist beschämend, wenn sich Ölkonzerne in dieser Situation die Taschen füllen, während viele Menschen mit geringem Einkommen nicht wissen, wie sie sich den Weg zur Arbeit noch leisten sollen.“ Beim Eindämmen der unverschämt hohen Gewinne in Krisenzeiten werde der Markt nicht helfen. Hier müsse man auf staatliche Kontrolle und effektive Zurückverteilung setzen. Er betonte: „Es braucht endlich eine echte Übergewinnsteuer ohne Schlupflöcher.“
Unionsfraktionsvize Jens Spahn betont: „Die Rekordgewinne der Ölmultis mitten in der Energiekrise empfinden viele Bürgerinnen und Bürger als zynisch. Robert Habeck versprach ein Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“, sagte der CDU-Politiker. „Doch der Tiger ist ein Kätzchen, deshalb ist zu viel vom Tankrabatt in den Taschen der Konzerne gelandet.“ Spahn drängt auf ein Einkaufskartell der EU. „Von der Sonderabgabe der Ampel auf Mineralöl hat man nichts mehr gehört. Mittelfristig brauchen wir eine neue Einkaufspolitik: Dem Kartell der Förderländer müssen wir ein europäische Nachfrage-Union entgegensetzen.“
Das Opec+-Kartell hat indes gerade bestätigt, bis Ende des Jahres pro Tag zwei Millionen Fass weniger zu pumpen, um die Preise hoch zu halten. Das Brent-Rohöl kostet mittlerweile 82 Dollar. Hier kommt zum Tragen, dass die Konjunktur lahmt. Die Megawattstunde Gas für den europäischen Markt wird aktuell mit nur noch 57 Euro gehandelt, was viel mit dem milden Winter zu tun hat, aber auch damit, dass es keine panikartige Käufe zum Füllen der Erdgas-Speicher mehr gibt.