Gut, aber nicht gut genug

Die Deutsche Bank war jahrelang die Sorgenbank der Republik. Inzwischen verdient das Institut wieder Milliarden. Doch so richtig zufrieden sind die Investoren nicht.
Die Börse ist oftmals ein Rätsel. Häufig ist schlicht nicht nachvollziehbar, warum die Kurse nun gerade stark steigen oder fallen. Und manchmal muss man einfach sehr genau hinschauen, um die Kursbewegungen dann doch zu verstehen. Das war bei der Deutschen Bank am Donnerstag der Fall. Das Institut verkündete am Morgen für das Geschäftsjahr 2022 einen den Aktionär:innen zurechenbaren Gewinn von 5,0 Milliarden Euro. Das war immerhin das beste Ergebnis seit dem Jahr 2007 und ein Plus von 159 Prozent zum Vorjahr, in dem das Institut 1,9 Milliarden Euro verdient hatte.
Die Erwartungen der Analystinnen und Analysten jedenfalls übertraf die Bank damit – auf den ersten Blick. Und dennoch rutschte die Deutsche-Bank-Aktie am Morgen deutlich ins Minus und war größte Verliererin im deutschen Leitindex Dax.
Grund für die Enttäuschung an der Börse dürfte gewesen sein, dass das Ergebnis von einem unerwartet hohen positiven Steuereffekt von 1,4 Milliarden Euro profitierte. Und so was ist nun einmal in der Regel - zumindest in der außergewöhnlichen Höhe - eine einmalige Sache, die nichts mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell zu tun hat. Und da auch die Konkurrenz - auch wegen der steigenden Zinsen - mehr Geld verdient, ist die Deutsche Bank nach vielen Krisenjahren zwar offenbar auf dem richtigen Weg - aber vielen Investoren weiterhin einfach nicht gut genug.
Deutsche Bank: Eine fast ganz „normale“ Bank
Ohne den Steuereffekt hätte das Ergebnis des Instituts - und auch andere Kennzahlen wie die Eigenkapitalrendite - eben nicht ganz so grandios ausgesehen und die Erwartungen der Analystinnen und Analysten verfehlt.
Dennoch kann man wohl sagen: Die Deutsche Bank ist zu einer „normalen“ Bank geworden. Die Zeit der großen Skandale scheint vorbei zu sein, die Zeit der großen Verluste ebenfalls. „Für die Deutsche Bank ist das nichts anderes als ein Meilenstein“, kommentierte Vorstandschef Christian Sewing das Ergebnis.
Nachdem die Aktionärinnen und Aktionäre der Bank im vergangenen Jahr nach zwei Jahren Pause wieder eine Dividende von schmalen 20 Cent erhalten haben, soll diese nun leicht auf 30 Cent je Wertpapier steigen, was jedoch nur ein „Zwischenschritt“ sei, so Sewing. „Die Aktionäre an unserem Erfolg zu beteiligen, ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie“. Auch Aktienrückkäufe seien „weiterhin Teil unseres Instrumentariums für dieses Jahr“, sagte er. Für sehr langjährige Anteilseigner:innen der Deutschen Bank dürfte das allerdings nur ein schwacher Trost sein, sie haben in den vergangenen Jahren viel Geld verloren.

Die Deutsche Bank befindet sich seit Jahren im Umbau, inzwischen scheint sich die Transformation auszuzahlen. Knapp 37 Prozent der Erträge der Bank kamen 2022 aus dem Investmentbanking, die anderen Geschäftsbereiche gewinnen damit an Boden. Sewing hatte bei seinem Amtsantritt im Jahr 2018 versprochen, den Ertragsmix des Instituts zu verbessern und unabhängiger vom volatilen Investmentbanking zu werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2011, dem letzten Amtsjahr des langjährigen Vorstandschefs Josef Ackermann, kamen noch 55,7 Prozent der Erträge des Konzerns aus der Investmentbank.
Auf Grund der eingetrübten wirtschaftlichen und geopolitischen Aussichten nicht überraschend, stieg die Risikovorsorge für ausgefallene und ausfallgefährdete Kredite deutlich von 515 Millionen Euro im Vorjahr auf nun 1,2 Milliarden Euro. „In einem derart herausfordernden Umfeld ist das aber noch immer ein sehr moderates Niveau“, sagte Sewing. Auch für das laufende Jahr rechnet die Bank mit einer Risikovorsorge in dieser Größenordnung
Die Finanzaufsicht Bafin hatte zuletzt sehr deutlich gesagt, dass sie viele deutsche Banken für deutlich zu nachlässig bei der Bildung von Risikovorsorge hält und darauf in diesem Jahr ein genaues Auge haben wird. Institutsnamen nannte sie dabei allerdings wie immer nicht.
Deutsche-Bank-Chef Sewing bekräftigt Ziele
Sewing bekräftigte am Donnerstag die Ziele, die die Bank bis 2025 erreichen will, etwa ein durchschnittliches jährliches Ertragswachstum bis dahin von 3,5 bis 4,5 Prozent. Im vergangenen Jahr wuchsen die Erträge um sieben Prozent auf 27,2 Milliarden Euro und damit den besten Wert seit 2016. Erreichen will die Bank auch eine Aufwands-Ertrags-Relation von 62,5 Prozent. Diese liegt derzeit noch bei 75 Prozent und damit über dem eigentlich für das Jahr ausgegebenem Ziel von 70 Prozent. Das heißt, die Bank musste 75 Cent aufwenden, um einen Euro zu erwirtschaften. Die Bank sei gut ins neue Jahr gestartet, betonte Sewing. Er prognostizierte für das laufende Jahr einen steigenden Vorsteuergewinn.
Für die Beschäftigten der Bank ergibt sich ein gemischtes Bild. Einerseits hat die Bank ihre Ankündigung aus dem Jahr 2019 nicht wahr gemacht, bis Ende 2022 insgesamt 18 000 Vollzeitstellen zu streichen und auf 74 000 Beschäftigte zu schrumpfen. Ende des Jahres hatte das Institut noch 84 930 Vollzeitstellen.
Andererseits wollte Bankchef Sewing aber am Donnerstag auf Nachfrage von Journalisten auch keine Jobgarantien geben. Der Vorstand plant bis 2025 Einsparungen, die über die ursprünglich angekündigten zwei Milliarden Euro hinausgehen. Ein Stellenabbau sei daher nicht ausgeschlossen, sagte er: „Allein der Pfad der Privatkundenbank wird noch weitere Filialschließungen und damit auch Personalabbau beinhalten.“
Ende vergangenen Jahres hatte die Deutsche Bank bundesweit noch 400 Filialen, die Tochter Postbank 650. Bei der Postbank sind weitere Schließungen geplant. Auch andere Institute bauen weiterhin Filialen ab, so auch die Commerzbank. Selbst in Großstädten wird es für Kund:innen dadurch immer schwieriger, eine Filiale oder einen passenden Geldautomaten zu finden.
Der Kritik von Medienvertreter:innen am Donnerstag, dass die Bank einige Jahresziele nur wegen des außerordentlich positiven Steuereffekts erreicht habe, begegnete Sewing mit Gelassenheit: „Wir sind wahnsinnig zufrieden. Sie haben eine solide, robuste, nachhaltig stabile Deutsche Bank hier, die wieder Marktanteile gewinnt.“