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Handel: Debatte um Öffnungszeiten

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Von: Lukas Zigo

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Einkaufen am Sonntag
Die Debatte um Sonntagöffnungen in Deutschland wird seit geraumer Zeit geführt. Nun flammt sie neu auf. (Symbolfoto) © Stefan Sauer/dpa

Die Debatte um längere Öffnungszeiten und Sonntagsarbeit ist in Deutschland eine alte. Einzelhandelsverbände fordern ein Umdenken.

Frankfurt – Jedes Land hat seine immer wiederkehrenden Debatten um gewisse Aspekte des gesellschaftlichen Lebens. In Deutschland gibt es mehrere dieser Art, eine davon ist die um Öffnungszeiten von Geschäften, um Samstagsarbeit sowie verkaufsoffene Sonn- und Feiertage. Dabei geht es neben dem Wirtschaftsstandort, der Konkurrenzfähigkeit des Handels und Arbeitsplätzen auch um Arbeitnehmerrechte, Freizeitgestaltung und Religionsausübung.

Vor 25 Jahren, am 1. November 1996, trat ein deutschlandweites Ladenschlussgesetz in Kraft, welches die Einkaufsmöglichkeiten der Verbraucher signifikant erweiterte. Bis dahin galt, dass Läden um 18.30 Uhr schließen, dann jedoch durften sie von Montag bis Freitag zwischen 6.00 und 20.00 Uhr verkaufen, an Samstagen in der Regel von 6.00 bis 16.00 Uhr.

Öffnungszeiten: Flexibilisierung war stark umkämpft

Die Liberalisierung der Öffnungszeiten war stark umkämpft: SPD, Grüne und PDS (jetzt Linke) wandten sich, von Gewerkschaften ermuntert, gegen die Flexibilisierung, sodass nur eine knappe Mehrheit aus FDP und CDU/CSU das neue Gesetz zum Abschluss brachte. Verbraucher hingegen waren zufrieden: Einer Infratest-Umfrage im Juni 1998 zufolge begrüßten rund 55 Prozent die veränderten Ladenöffnungszeiten; nur rund 16 Prozent wünschten sich die alten Regeln zurück.

In weiten Teilen Europas ist der Trend seitdem weiter in Richtung Liberalisierung gegangen. Seit 2006 liegt die Zuständigkeit in Deutschland für die Ladenschlusszeiten bei den Bundesländern. Seither gibt es einen bundesweiten Flickenteppich: In Berlin dürfen Geschäfte beispielsweise rund um die Uhr öffnen, in Rheinland-Pfalz und Sachsen von 6 bis 22.00 Uhr. Das Ladenschlussgesetz des Bundes hingegen gilt nur noch in Bundesländern wie Bayern, die kein eigenes Gesetz erlassen haben.

Deutschland: Welchen Wert haben längere Öffnungszeiten?

Auf die Frage, ob und wenn ja, wem längere Öffnungszeiten etwas bringen, bekommt man unterschiedliche Antworten. Dahingehende Bilanzen von Einzelhändlern, Gewerkschaften und Verbrauchern fallen unterschiedlich aus. „Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten war ein wichtiger und richtiger Schritt“, bilanziert Stefan Hertel, Pressesprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE). „Gerade im Lebensmitteleinzelhandel nutzen die Kundinnen und Kunden die längeren Öffnungszeiten gerne, um nach dem Arbeitstag auch noch später in den Abendstunden einzukaufen und sich in Ruhe umzusehen.“

Längere Öffnungszeiten hätten für mehr Beschäftigung insbesondere im Lebensmittelhandel gesorgt. Händler hätten allgemein mehr Entscheidungsfreiheit: „An den Standorten wo es sich lohnt, wird dann länger geöffnet, an den anderen eben nicht.“

Ver.di und Kirche gegen Ladenöffnung an Sonntagen

Gemeinsam mit der Kirche kämpft die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gegen eine Ausweitung der Ladenöffnung an Sonntagen und fordert dagegen geregelte Öffnungszeiten, die „allen Beschäftigten eine gesunde Work-Life-Balance“ ermöglichen. „Durch die langen Öffnungszeiten wird den Beschäftigten viel mehr Flexibilität abverlangt, der Job ist kaum noch planbar“, so die Gewerkschaft.

Andre Scheer, Bundesgewerkschaftssekretär, widerspricht dem Argument zusätzlicher Arbeitsplätze: Kaum jemand kaufe wegen verlängerter Öffnungszeiten mehr ein, heißt es. Es entstünden allerhöchstens mehr Mini- oder Teilzeitjobs und damit viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Da die kleinen Geschäfte bei diesen Öffnungszeiten nicht mithalten könnten, und nur die großen Ketten es sich leisten, diese anzubieten, verdorrten in der Folge die Innenstädte.

Online-Shopping – Tod des Einzelhandels oder Chance auf Evolution

Eine Debatte ist um leere Fußgängerzonen, schlecht besuchte Innenstädte und schließende Geschäfte entflammt, ausgelöst und stetig verschlimmert durch den wachsenden Trend zum Online-Shopping. Aufgrund des grenzenlosen Onlinehandels konkurriert jedes Einzelhandelsgeschäft in den Innenstädten mit der ganzen Welt. Trotzdem zeigen Umfragen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor lieber vor Ort einkaufen und on- und offline miteinander kombinieren – wenn denn die Bedingungen stimmen.

„Eine stärkere Verzahnung zwischen stationärem Geschäft und dem Online-Handel bleibt das Gebot der Stunde“, sagt Bernd Düsterdiek, Referatsleiter für Städtebau beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Gewerkschafter Scheer warnt: „Es ist ein Irrweg, wenn der stationäre Einzelhandel versucht, durch noch längere Öffnungszeiten mit dem Online- und Versandhandel zu konkurrieren.“ Stattdessen müsse der stationäre Handel auf seine Stärken setzen, zum Beispiel auf die qualifizierte Beratung der Kunden durch motivierte und kompetente Beschäftigte.

Verband fordert Handel zum Umdenken auf: „Bummeln und Shopping ist ein Freizeitevent“

Für den Verband der Einzelhändler ist deswegen klar: „Nur als Gesamtkunstwerk können unsere Stadtzentren ihre volle Attraktivität entfalten und auch künftig erfolgreich und vital bleiben“, sagt Pressesprecher Hertel. Heutzutage diene Einkaufen nicht mehr nur Versorgungszwecken, sondern „Bummeln und Shopping ist ein Freizeitevent“. Deswegen müssten Geschäfte in Zukunft – insbesondere an Sonntagen – häufiger geöffnet sein dürfen. (lz/KNA)

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