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Deutschland den Reichen

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Von: Günther Moewes

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Attac-Protest gegen dubiose Geschäfte der Deutschen Bank.
Attac-Protest gegen dubiose Geschäfte der Deutschen Bank. © Imago

Die Ungleichverteilung des Vermögens ist gewollt. Der legendäre Aufsatz "Paradies der Reichen" aus dem Spiegel 31/69 gibt interessante Einblicke. Die Gastwirtschaft von Günther Moewes, emeritierter Professor und Verteilungskritiker.

Die westdeutsche Sozial-Pyramide gleicht einer Platte, aus deren Zentrum eine Nadel aufragt.“ Von wem mag dieser Satz wohl stammen? Attac? Occupy? Oxfam? Nein, er stammt von Seite 39 des legendären Aufsatzes „Paradies der Reichen“ aus dem Spiegel 31/69. Der elf Seiten lange Beitrag zeigt vor allem:

1. Die Ungleichverteilung war schon damals praktisch nicht mehr grafisch darstellbar. 2007, 38 Jahre später, stellte sie das DIW in der ersten großen Untersuchung über die gesamtdeutschen „Nettorealvermögen“ als „Zehn-Säulen-Diagramm“ dar. Die rechte, reichste Säule mit einem Vermögensdurchschnitt von 600.000 Euro war zwölf Zentimeter hoch.

Damals war der Spiegel noch „Sturmgeschütz der Demokratie“

Hätte man an ihrem rechten Rand die damals größten deutschen Vermögen der Quandts oder der Aldi-Brüder abgetragen, wären die vier Kilometer (!) hoch geworden. Will man die in dem Diagramm mit abbilden, werden die Vermögen von uns 99,9 Prozent zu einem horizontalen Strich, an dessen rechtem Ende dann die vertikale „Nadel“ der superreichsten Vermögen aufragt. Die spezifische, extreme Unwucht der Verteilungsunterschiede lässt sich also weder durch Zehn-Säulen-Diagramme, noch durch Kurven, und schon gar nicht durch den Gini-Koeffizienten abbilden.

2. Die Ungleichverteilung war von Anfang an CDU-gewollt. In der Währungsreform von 1948 wurden die aus der „Liquidation des Dritten Reiches“ geretteten Vermögen der „großen Familien Flick, Thyssen, Siemens, Bosch, Quandt und Oetker (...) eins zu eins auf Deutsche Mark umgestellt“. Dagegen hatten „mit ihrer Kopfquote von 40 Mark (...) vier Fünftel der Bundesbürger den Wettlauf in die Wohlstandsgesellschaft bereits am Start verloren“. Die US-Erfinder der Reform hatten vorgesehen, dass „auch die Besitzer der Sachwerte einen großen Teil der Kriegsfolgelasten übernehmen sollten“. Dieser Lastenausgleich wurde von der deutschen Regierung 1952 in eine Kriegsfolgenentschädigung für Reiche verkehrt. Auch die reichenfreundliche Steuer- und Rentengesetzgebung wurde bereits damals installiert. Bemerkenswerteste demagogische Leistung der CDU: Sie vermittelte den „überwiegend vermögenslos“ Gebliebenen „das Gefühl, (...) Besitzbürger zu sein“.

Damals war der Spiegel noch das „Sturmgeschütz der Demokratie“. Später hat er diese Rolle kampflos an die NGOs abgegeben.

Der Autor ist emeritierter Professor und Verteilungskritiker.

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